Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen von Gymnasien und Realschulen

50. Leben und Charakter der Alpcnbewohner. 
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J^nn, sei es der Spitzen- und Schnittwaarenhändler aus Vorarl- 
und dem Lechthale, der Handschuh- und der Teppichverkäufer 
W dem Ziller- und Deferegger-Thale, der Viehhändler aus Pas¬ 
ser oder der Wein- und Fruchthändler aus den gesegneten Ersch¬ 
auen — sie alle ziehen über die Alpenpässe, aus einem Thäte ins 
Were, vorüber an den gehörnten und gletscherbepanzerten Berg¬ 
en, die in vielfachem Wechsel von Kleid und Miene sich ihrem 
^bcke darstellen, bald in der blendenden Hülle des Winters^ bald 
^ lachenden, bunten Frühlingskleide, bald von stürmenden Wol- 
^ umsaust, bald wieder von Regenstrichen gepeitscht oder von 
^ltzen umzuckt, heute von dicken Nebeln umzogen, gestern vom 
Glanze der scheidenden Sonne verklärt. 
Mit dieser Natur von Jugend auf verwachsen, durch sie täg¬ 
lich in Anspruch genommen, auf ihren Umgang fast allein hin¬ 
wiesen, sollte nicht der Bewohner der Alpen vorzugsweise von 
wendiger Liebe zur Heimat erfüllt werden? So ist es. Er bleibt 
wit erfüllt, auch wenn seine Gewandtheit in der Ferne Behag¬ 
test und Glück des Lebens ihm erwirbt. Zurückgekehrt mit 
^^chthümern, wird er unmerklich von der Alpennatur dermaßen 
Wder gefesselt, daß er sich trotz jener der einfachen alpinischen 
wnsweise und den alten Gewohnheiten der Väter wieder zü¬ 
ndet, fremde Bedürfnisse und fremde Weise alsbald ablegend. 
, °1' allen sind in dieser Beziehung zu erwähnen die Bewohner 
3 durch Andreas Hofer zu europäischer Berühmtheit gelangten 
Thales Passeier im Centrum der Tyroler Alpen. So weit sie 
als Händler hin und her wandern, es fliegt ihnen kein neues 
. rfnis an, und mit den einfältigsten Augen von der Welt 
sie an den Reichthümern dieser Erde vorüber. Sie bringen 
,lc^ einmal das Gefühl und Verständnis von Dingen, die nur 
Dermaßen nach Bequemlichkeit des Lebens aussehen, aus der 
^ßen Welt zurück. So sehr ist ihr sonst heiterer Sinn von der 
We des Lebens in ihrem strengen Thäte gefesselt. 
Ich sagte vorhin: den alten Gewohnheiten wendet sich der 
^nbewohner wieder zu. In der Abgeschlossenheit seines Thales, 
^ der Unbekanntschaft mit der Außenwelt, deren veränderliche 
t abweichende Moden ihn nicht verlocken können, ist er in der 
Rauigkeit seiner Naturumgebungen immer auf dieselben Ge¬ 
bäude und deren Wiederkehr angewiesen. Auf denselben Wegen 
w ex ^ seinen Alpenthälern und Bergen fortwährend hin und 
Ein Abweichen rechts oder links vom gewohnten Thal- 
^ergwege könnte oft nur mit großer Mühe, ja nicht ohne die 
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