82. Der alte arme Richard, oder Mittel, reich zu werden. 4g ^
Der hat kurze Fasten, der Geld schuldig ist, das zu Ostern bezahlt
werden soll. Vielleicht seid Ihr eben jetzt in Umständen, daß Ihr
eine kleine Thorheit begehen könnt, ohne dafür zu büßen, allein
legt lieber etwas für das Alter und Nothfälle zurück; denn, wie
der arme Richard sagt, die Morgenröthe währt nicht den ganzen
Tag. Der Verdienst kann von kurzer Dauer und ungewiß sein, die
Ausgaben aber sind gewiß und dauern, so lange Ihr lebt. Man
kann leichter zwei Herde bauen, als auf einem immer Feuer halten.
Geh lieber ohne Abendbrot zu Bette, als daß Du mit Schulden
aufstehst. Erwirb, so viel Du kannst, und halt' zu Rathe, was
Du erworben hast. Das ist das echte Geheimnis, Blei in Gold
zu verwandeln. Wer diesen Stein der Weisen besitzt, der wird
nicht länger über schlechte Zeiten oder drückende Abgaben klagen."
„So, meine Freunde, lauten die Lehren der Vernunft und Klug¬
heit. Doch dürft Ihr Euch nicht allein auf Euren Fleiß, Eure
Sparsamkeit und Wachsamkeit verlassen. So vortreffliche Dinge
das sind, so werden sie Euch doch ohne den Segen des Himmels
wenig helfen. Bittet deshalb demüthig um diesen Segen und seid
nicht hart gegen den, der desselben entbehrt, sondern springt ihm
hülfreich bei. Bedenkt, daß Hiob litt und doch hernach gesegnet
wurde. Zum Schluß! Erfahrung hält eine theure Schule, es ist
aber die einzige, in der Thoren etwas lernen. Denn einen guten
Rath kann man wohl geben, aber nicht eine gute Aufführung.
Wer sich nicht rathen läßt, dem ist auch nicht zu helfen, sagt der
arme Richard. Und: Wer nicht hören will, der muß fühlen."
So beschloß der alte Mann seine Rede. Das Volk hörte
ihm aufmerksam zu und billigte seine weisen Lehren, that aber,
nach dem gewöhnlichen Schicksale aller Predigten, auf der Stelle
das Gegentheil. Die Versteigerung ging an, und die meisten
kauften ohne Vernunft und Ueberlegung. —
Ich fand, daß der gute Mann meine Kalender fleißig studirt
und alles, was ich seit fünf und zwanzig Jahren über diese Ma¬
terie vorgetragen, wohl verdaut hatte. Die häufige Erwähnung
meines Namens möchte manchem langweilig vorkommen, meine
Eitelkeit hingegen ergötzte sich besonders hieran, ob ich mir gleich
bewußt war, daß nicht der zehnte Theil der Weisheit, die er mir
beilegte, mein Eigenthum war und daß ich nur eine kleine Aehren-
lese auf dem Felde der gesunden Vernunft aller Zeiten und Völ¬
ker gehalten hatte. Wie dem auch sei,' genug ich nahm mir vor,
diese Wiederholung zu nutzen, und ob ich gleich erst mit dem