Full text: Mittelalter (und Neuzeit bis 1648) (2)

über dem Onegesios auf einem Stuhle saßen zwei von den Söhnen des 
Attila. Denn der ältere saß auf dem Ruhebett bei jenem, nicht nahe 
sondern an dem Ende, und blickte aus Ehrfurcht vor dem Vater zu Boden. 
Als alle in Ordnung saßen, nahte ein Weinschenk dem Attila und über¬ 
reichte ihm eine Schale Wein. Er nahm sie und grüßte den Ersten im 
Range. Der durch den Gruß Geehrte stand auf, und nicht eher war es 
erlaubt sich zu setzen, bevor man gekostet oder auch ausgetrunken und die 
Schale dem Schenken zurückgegeben hatte. Auf dieselbe Weise ehrten die 
Anwesenden den sitzenden Attila, indem sie die Becher nahmen und nach 
der Begrüßung davon kosteten. Jedem stand ein Weinschenk zur Seite, 
der, wenn der Schenk des Attila hinausging, der Reihenfolge gemäß ein¬ 
treten mußte. Als auch der Zweite und die Folgenden begrüßt waren, 
bewillkommnete Attila auch uns auf gleiche Weise nach der Ordnung der 
Stühle. Nachdem nun durch diese Begrüßung alle geehrt waren, gingen 
die Schenken hinaus; Tische wurden nun aufgestellt, nächst dem für Attila 
für drei und vier oder auch mehr Männer, so daß es jedem möglich war, 
bon_ dem auf der Schüffel Liegenden zu nehmen, ohne aus der Reihe der 
Sessel herauszutreten. 
Und zuerst trat der Diener des Attila herein, eine Platte voll 
fleisch tragend, und nach ihm stellten die alle Bedienenden Brot und Zu- 
fost auf die Tische. Den anderen Barbaren und uns wurden köstliche Ge¬ 
richte ausgetragen auf silbernen Scheiben, für Attila aber lag auf dem 
hölzernen Teller nichts als Fleisch. Mäßig zeigte er sich aber auch in 
allem übrigen. Denn den Männern bei dem Schmause wurden goldne 
und silberne Becher vorgesetzt, sein Trinkgesäß aber war von Holz. Schlicht 
war auch sein Kleid, durch nichts anderes geschmückt als durch Reinlich¬ 
keit. Auch das Schwert, mit dem er umgürtet war, die Bänder der Bar¬ 
barensandalen und die Zügel seines Pferdes waren nicht, wie bei den an¬ 
deren Skythen, mit Gold oder Edelsteinen oder anderen Kostbarkeiten 
geziert. Nachdem die Speisen, welche auf den ersten Schüsseln lagen, ver¬ 
zehrt waren, standen wir alle auf, und nicht eher kehrte irgend einer von 
den Aufgestandenen zu seinem Sessel zurück, bevor nach der früheren Reihen¬ 
folge jeder den ihm überreichten Becher voll Wein ausgetrunken hatte mit 
einem Wunsche für Attilas Wohl. Nachdem er so geehrt war, setzten wir 
uns nieder auf diese Weise, und auf jeden Tisch wurde eine zweite Platte 
gesetzt mit anderen Speisen. Als auch hiervon alle genommen hatten, er¬ 
hoben wir uns alle wieder aus gleiche Weise, tranken wiederum aus und 
ließen uns abermals nieder. — Als der Abend nahte, wurden Fackeln 
angezündet. Attila gegenüber stellten sich zwei Barbaren auf und trugen 
Sieder vor, in denen sie feine Siege und kriegerischen Heldentaten befangen. 
Auf sie richteten nun die Teilnehmer ihre Blicke, und die einen ergötzten 
sich an den Gedichten, andere wurden begeistert durch die Erinnerung an 
die Kämpfe, andere aber, deren Leib von Alter entkräftet und deren Mut 
zu ruhen gezwungen war, brachen in Tränen aus. 
Nach den Gesängen trat ein geistesschwacher Skythe auf, der sonder¬ 
bare, unsinnige Reden ausstieß und dadurch alle zum Sachen reizte; nach
	        
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