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ähnliche Stelle ein wie Hamburg an der Elbe und Königsberg am Pregel.
Hier laufen heute auch alle Bahnlinien aus deni Nordwesten, Norden und
Nordosten zusammen und verzweigen sich dann wieder durch die südlichen
und südöstlichen Grafschaften. Diese beiden natürlichen Vorteile wiegen
allerdings sehr schwer; aber man muß auch der Gunst der geschichtlichen
Verhältnisse, dem Reichtum Englands und der Tatkraft der Bevölkerung,
die jeden günstigen Umstand vortrefflich zu nutzen wußte, sehr viel zuschreiben.
Die Bevölkerung Londons, der größten Stadt der Erde, beträgt etwa
6 Millionen: die erste Million erreichte die Stadt im ersten Jahrzehnt des
vorigen Jahrhunderts. Sehr viele Einwanderer aus allen Teilen der Erde
wenden sich jährlich nach London, und die Sterblichkeit ist nicht hoch; denn
die Riesenstadt ist infolge ihrer guten Kanalisation und Wasserversorgung
eine der gesündesten Großstädte der Erde. Zudem findet man dort weniger
große Mietskasernen als vielmehr kleine schmale Häuschen, vielfach nur
von einer Familie bewohnt.
2. Die einzelnen Stadtteile zeigen in ihrem Aussehen und in der
Beschäftigung ihrer Bewohner die schärfsten Unterschiede. Da haben wir
zunächst den Kern der Stadt, die City, die den Hauptsitz des Londoner
Großhandels bildet, und von wo die wichtigsten Unternehmungen in Eng¬
land und in den fernsten Ländern ausgehen. Die zum Wohnen bestimmten
Gebäude verschwinden in der City immer mehr und werden durch umfang¬
reiche Warenlager und Kontore ersetzt. Deshalb hat auch die Bevölkerung
der City im vorigen Jahrhundert stark abgenommen. 1801 wohnten
129000 Menschen dort, 1881 nur noch 51000. Die Zahl derer jedoch,
die sich während des Tages hier aufhalten, abends aber auf den Eisen¬
bahnen nach den Vororten zurückkehren, beträgt mindestens 1 Million. In
der City erblicken wir die St. Pauls-Kirche und die alte düstere Festung,
den Tower, die Wahrzeichen von ganz London; ferner die Bank von
England, die Börse und zahlreiche andere, meist dem Geschäftsverkehre
dienende Gebäude. Noch immer bildet diese Altstadt, die in vielen Stücken
ihre eigene Verwaltung bewahrt hat, einen scharfen Gegensatz zu den übrigen
Teilen Londons.
Westlich von der City betreten wir diejenigen Teile, wo vorzugsweise
die wohlhabenderen Klaffen wohnen. Hier liegen die Regierungsgebäude,
viele Paläste, das große Parlamentshaus, die Westminsterabtei, welche einst
einsam vor den Mauern des alten London stand, sowie zahlreiche der Wissen¬
schaft und Kunst gewidmete Gebäude. Es genügt, an das Britische Museum
und das Heim der Londoner Geographischen Gesellschaft zu erinnern.
Während die inneren Teile dieses „Westend" gleich der City an Volks¬
menge noch abnehmen, zeigen die äußeren, die halb ländlichen Charakter
tragen, eine zum Teil sehr beträchtliche Zunahme. Durch schöne und große