Full text: Für die Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

Beschreibungen und Schilderungen. 
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schützende Dach und setzt munterer seine Reise wieder fort; der Landmann eilt 
erfrischt wieder zu seiner Arbeit: alles frohlockt über die Lust der Kühlung, 
und alle Kräuter gießen Reichtümer von süßen Gerüchten aus. 
12. Die Pflanzen und das Menschcnhcrz. 
A. B. Reichenbach. Die Pflanzen im Dienste des Menschenlebens. Berlin, 1868. 
Unter den zahlreichen und mannigfaltigen Erzeugnissen der Natur ist es 
das stille, anmutsvolle Gebiet des Pflanzenreiches, dessen Gebilde das weib¬ 
liche Gemüt wie überhaupt jedes weich und innig fühlende Herz vorzugsweise 
anziehen. Von Wohlgerüchen umduftet, im Reize der lieblichsten Farben 
prangend, abwechselnd in den verschiedensten, oft so zierlichen Gestalten, still 
und harmlos dahinlebend, üben die lieblichen Kinder Florens einen wohl¬ 
tuenden Reiz auf die Stimmung gefühlvoller Menschen aus. Ihr Kommen 
und Schwinden, das Wunderbare ihrer Metamorphosen, ihre so mannigfachen 
Beziehungen zu den übrigen Werken der Schöpfung, zu denen sie in Wechsel¬ 
wirkung stehen, dies alles' zeigt uns ein Bild unseres eigenen Lebens, läßt 
uns die ewig waltenden Gesetze der Natur erkennen und Gott, den Schöpfer, 
Erhalter und Regierer der Welt, uns ahnen. Fühlte sich doch der Erlöser 
selbst ergriffen von der Schönheit der Blumen und von ihrem Stilleben. 
Ihm war die Lilie das Sinnbild göttlicher Liebe und Vorsehung. Wie über¬ 
haupt das Reich der Natur zu reiner Liebe und Veredlung des Herzens 
führt und so die Seele mit wahrer Religiosität erfüllt, so ist es die Betrach¬ 
tung der Pflanzenwelt insbesondere, welche so wohltuend auf unsere Selbst¬ 
veredelung einwirkt. Darum waren Blumen und Bäume auch von jeher die Lieb¬ 
linge begeisterter Dichter und Gelehrter. 
Bei den Griechen war Dionysus oder Bacchus der Gott der Blumen; 
neben demselben galt ihnen auch Ceres als die Schöpferin der Blumen und 
heilenden Kräuter und Proserpina als Besclützcrin derselben. Den Römern 
war Flora die reizende Blumengöttin. Die Ägypter erwiesen einigen Pflanzen 
sogar göttliche Ehre. Bei Festen sich mit Blumen zu schmücken, war bei den 
Alten allgemeiner Gebrauch. Dem Sieger, besonders bei den Kampfspielen, 
wurden Blumen gestreut, und eine alte, schöne Sitte, die auch bei uns noch 
üblich, war es, die Gräber der entschlafenen Lieben mit Blumen zu schmücken. 
Blumen wurden auch den unsterblichen Göttern geopfert, Blumen, Garten- und 
Feldfrüchte. Aber auch die Bäume fanden allgenieine Verehrung. Bei den 
Griechen galten die Dryaden als Nymphen oder Schutzgöltinnen der Wälder. 
Jede bewohnte einen eigenen Baum, mit dem sie entstanden war, und mit dem 
sie starb. Wer einen Baum pflegte und schützte, dem dankte auch die Nymphe 
desselben ihr Leben und erzeigte ihm Wohltaten dafür. Auch höheren Gott¬ 
heiten waren manche Bäume geweiht. Daß endlich bei den alten Deutschen 
Bäume und ganze Haine geheiligt waren, ist bekannt. 
In gleichem Ansehen wie ehedem steht aber auch jetzt noch die Pflanzen¬ 
welt Wie in der Vorzeit, wo Gedichte und Schauspiele Indiens gleichsam 
in Blumen und Blumenbildern wehen und duften, so genießen noch jetzt 
Blumen und Bäume daselbst eine ähnliche Verehrung. Den Chinesen sind 
die Blumen Natursymbole, Lebensbilder bei Volks- und Familienfesten. 
Erkelenz. Deutsches Lesebuch, III. Teil. 6. Ausl. 13
	        
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