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Karl Stieler.
Stumm ist das All — die Wäldermassen,
Die Felsen sind in Blau getaucht —
Die satten Gluten, sie erfassen
Mit ihrer Kraft, was webt und haucht.
And doch, in dieser heißen, stummen
Lichtflut — wie klingt es leise hin.
Durch süßen Flimmer süßes Summen:
Das sind des Mittags Melodien.
And sonst kein Laut, kein Lauch, kein Schatten,
Ein Weih nur, der im Blau sich wiegt,
Goldlicht-umlastet ruhn die Matten
And lauschen — wie die Sonne siegt!
160. Wandergruß.
Am grünen Lochland liegt ein Steig,
Gar traulich anzuschauen.
Fern sieht man leuchten durch das Gezweig
Den Tegrinsee, den blauen.
And weite Wälder sind rings umher.
And hohe betaute Fluren,
Die Berge glänzen — wir gehen einher
Auf tausendjährigen Spuren.
Denn uralt ist der Saumpfad dort
Mit seinen granitnen Stufen,
Oft gräbt der PIug noch die Splitter auf
Von eisernen Speeren und Lufen.
Im Grünen sieht man das braune Dach
Einsamer Gehöfte verschwinden.
And jedes Feld ist noch umhagt
Von tausendjährigen Linden.
Dort zog ich schweigend querfeldein,
Von all dem Zauber umflossen;
Der Vogelfang und der Sonnenschein,
Das waren meine Genossen.