Wildenbruch.
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15. Doch wie er stand im Kreise
Der Fürsten hoch und reich.
Sein Haupt wuchs über alle,
Kein einz'ger war ihm gleich.
16. Und staunend sah der Kaiser
Ihn lange an und sprach:
„Willst du des Lebens Freuden
Tauschen für Ungemach?
17. Wagst du es, einzutreten,
Ein einz'ger, für das Recht,
Wo für das Unrecht streitet
Ein tobendes Geschlecht?
18. Willst du dein Leben wagen
Allstündlich an den Tod,
Nur um ein Volk zu retten
Aus seiner tiefen Not?" —
19. Friedrich der Hohenzoller
Ins Aug' dem Kaiser sah,
Er sprach nicht lange Worte,
Er sagte nichts als „Ja".
20. Und in des Kaisers Rechter
Die Hand des Zollern lag,
Und Wort und Handschlag waren
Wie Blitz und Donnerschlag.
21. Da über allen Häuptern
Wie Adlerrauschen flog's,
Und aus dem fernen Süden
Gen Norden brausend zog's. —
22. Und fern im märk'schen Dorfe
Ins Knie der Bauer sank:
„Herr Gott im hohen Himmel,
Dir sei Lob, Preis und Dank!
23. Mein Feld hat wieder Ernte
Und meine Kinder Brot —
Es kommt der Hohenzoller,
Ein Ende hat die Not!"
Moltke
(Zum 90. Geburtstage, 26. Oktober 1890.)
Ernst v. Wildenbruch. Lieder und Ballade». Berlin.
1. Er hat getan gleich seinem Lande,
Das lange schweigt und stumm er¬
trägt,
Bis daß Gedulden schwillt zum Rande,
Und bis zur Tat die Stunde schlägt.
2. Er hat gewartet und gewogen
Stumm wie der Steuermann am
Schiff,
Bis daß die Wettervögel flogen.
Und bis der Sturm herüberpfiff.
3. Da, als der Feinde Stimmen
grollten,
Stand er bereit, dem Sturm bewehrt,
Und als sie uns ans Leben wollten,
Gab er in unsre Hand das Schwert.
4. Es kam die wundervolle Stunde,
Da Größe sich zu Größe fand,
Wir sahen, wie im mächt'gen Bunde
Das Dreigestirn von Männern stand:
5. Wilhelm, der Held, der Gott-
Erwählte,
Bismarck, der Mächtige im Rat,
Der Plan war fertig, eins noch
fehlte,
Aus Moltkes Händen kam's: die Tat.
.6. Vor seinem Geiste lag geglättet,
Was andren unentwirrbar schien,
Er hat den Kriegsgott angekettet
Und zwang vor Deutschlands Wagen
ihn.
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