Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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IV. Neuhochdeutsche Litteratur. 
Ein hervorragendes Verdienst erwarb sich Luther ferner als Be— 
gründer des evangelischen Bekenntnisliedes. Er schuf Kirchenlieder 
37), indem er lateinische Gesänge übersetzte, Volkslieder umdichtete, 
Psalmen bearbeitete und auch selbständig dichtete. Endlich hat er auch 
eine Anzahl (16) Fabeln Äsops übersetzt und ihnen eine selbsterfundene 
hinzugefügt. 
Welche Wandlung des Mittelhochdeutschen sich zu Luthers Zeiten 
vollzogen hatte, ergiebt sich beispielsweise aus seiner Übersetzung des 
28. Psalms (S. 401). Insbesondere war eine Veränderung der Selbst— 
und Doppellaute vor sich gegangen: wp wird Weib, hüs Haus; hiute 
heute, boum Baum, muot Mut, lièt Lied. Die kurzen Stammvokale 
bor einfachen Konsonanten dehnen sich: väter wird zu Vater, sägen 
zu sagen; oder der Konsonant wird verdoppelt: biten wird zu bitten. 
Daneben treten Verengungen ein, u und i für uo, z. B. Buch für buoch, 
Licht für lient. Im Satzbau schloß sich Luther der mündlichen Rede des 
Volkes an. Dadurch rettete er die deutsche Schriftsprache vor der Ent— 
fremdung von der lebendigen Rede des Volkes, womit die Kanzleisprache 
sie bedrohte. Ferner vermied er alle entbehrlichen Fremdwörter und 
setzte an Stelle ungeschickter Neubildungen bessere, z. B. holdselig, 
Schädelstätte, Gottseliͤgkeit. Endlich suchte er beständig seine Schreib— 
weise zu vereinfachen; schrieb er anfangs vorterbenn, offt, czu, wyr, 
die allten, so schrieb er später verderben, oft, zu, wir, die Alten. 
An den Kämpfen des 16. Jahrhunderts für geistige und sittliche 
Freiheit nahm auch Hans Sachs lebhaften Anteil. Von inniger Liebe 
zum deutschen Reiche und aufrichtiger Gottesfurcht erfüllt, begrüßte er 
in seinem Gedicht „Die Wittenbergische Nachtigall“ freudig die Refor— 
mation. Sein Bestes leistete er in seinen Schwänken („St. Peter mit 
der Geiß“, S. 404,,Das Schlaraffenland“, 1, 288 u. a) und Fastnachts— 
spielen. Auch an Tragödien, deren Stoffe er der griechischen Ge— 
schichte und der deutschen Sage entlehnte, versuchte er sich. Sicherlich 
war er der fruchtbarste Dichter seiner Zeit; denn er verfaßte nicht weniger 
als 6048 Schriftwerke, darunter 4275 Meistergesänge und 208 Dramen. 
Das von ihin verwandte Versmaß, die sogenannten kurzen Reim— 
paare, wurden später von Opitz u. a. als Knittelverse verspottet, 
weil bei ihnen eine strenge Unterscheidung von stärker und schwächer 
betonten Silben nicht beachtet wird; diese werden vielmehr nur gezählt, 
ohne daß man sich vor einer Häufung von Hebungen und Senkungen 
scheut. Goethe („Hans Sachsens poetische Sendung“) hat sie im „Faust“, 
Schiller in „Wallensteins Lager“ und Uhland in der „Schwäbischen 
Kunde“ wieder zu Ehren gebracht. Herder urteilt über Haus Sachs: 
„In seiner Sprache herrscht eine deutsche, so feine Art und solche edle 
Gedanken, daß ich jedem Jahrhundert in seiner Art einen Hans Sachs 
wünschte.“ In Richard Wagners Oper „Die Meistersinger“ spielt 
Hans Sachs ebenfalls eine wichtige Rolle. 
Gleichzeitig mit Hans Sachs lebte Johann Fischart, ein viel— 
seitiger Schriftsieller, der in beißenden Satiren die Roheit seiner Zeit 
geißelte. In seinem schönen Epos „Das glückhafte Schiff von
	        
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