32. Gottfried August Bürger.
Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid
Und denk an Gott und Seligkeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen.“
I11. „O Mutter! was ist Seligkeit?
O Mutter! was ist Hölle? —
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
Und ohne Wilhelm Hölle!
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!
Ohn' ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden!“ —
12. So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern;
Sie fuhr mit Gottes Vorsehung
Vermessen fort zu hadern,
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
13. Und außen, horch! ging's trapp trapp trapp,
Als wie von Rosses Hufen;
Und klirrend stieg ein Reiter ab
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Psorte
Vernehmlich diese Worte:
14. „Holla! Holla! Thu auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?“ —
„Ach, Wilhelm, du? — so spät bei Nacht?
Geweinet hab' ich und gewacht,
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du hergeritten?“
15. „Wir satteln nur um Mitternacht,
Weit ritt ich her von Böhmen.
Ich habe spät mich aufgemacht
Und will dich mit mir nehmen.“
„Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind;