Z. Die Anfänge der Dichtung bei den Griechen. 25
II. Zur Geschichte und Literatur.
5. Die Anfänge der Dichtung bei den Griechen.
irralt ist die Freude am Liede: das herzerquickende Mahl, die reiche Erute,
^ die Klage um den Toten, das Opfer des Gottes, besonders der ruhm¬
volle Sieg erheben die Stimme zum Gesang, bei frohem Fest auch den
Schritt zum Tanze, Musik begleitet und verstärkt den Rhythmus. Schon
als das griechische Volk in die Halbinsel zog und die Ureinwohner vertrieb,
wird manches Schlacht- und Siegeslied erklungen sein, kunstlos, wie jedem
der Rhythmus sich gestaltete. Die Zeiten mykenischer Herrlichkeit und
Tatenlust begünstigten die Entwickelung des Gesanges. Im Kreise der Seinen
erfreute sich der Adlige, der auf der Seefahrt und im Kampfe gegen den
Nachbarstamm Raub und Ruhm geerntet hatte, am Klange der Kithara und
sang dazu von seinen und seines Geschlechtes Taten, bis ein andrer ihn
ablöste. Auch der Mann aus dem Volke griff nach des Tages Last und
Hitze oder zwischen der Arbeit zur Leier.
Als die Lebensformen mannigfaltiger wurden, Handwerk und Industrie
größere Bedeutung erlangten, bildete sich ein eigener Stand von Sängern
aus, denen der vielbeschäftigte oder bequeme Fürst und Ritter gerne Zutritt
zur Burg gestattete, das Gelage im Männersaal durch den Preis der
Heldentaten der Ahnen zu verschönen.
Gern halten sich die Sänger an den Fürstenhöfen auf: Demodokos
und Phemios haben ständigen Aufenthalt, der eine im Palast des Alkinoos,
der andere im Hause des Odysseus. Zum Vertrauten, zum Freunde wählt
der Fürst oft den Sänger. Andere ziehen, die Leier im Arme, von Bnrg
zu Burg, von Ort zu Ort; sehnsüchtig erwartet das Volk den Sänger und
lauscht dem Liede, dessen Stoff allen wohl mehr oder weniger bekannt ist,
nun aber in kunstvoller, zweckmäßiger Anordnung und geschickter Verknüpfung
die Herzen erfreut. Von den Göttern, den Helden der Vorzeit, dem Ur¬
sprung und Wesen der Dinge, dem Leben und Leiden der Menschen, von
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