Full text: [Teil 7 = Klasse 3, [Schülerband]] (Teil 7 = Klasse 3, [Schülerband])

Der Reichstag 
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wählten Vertretern des gesamten deutschen Vol¬ 
kes. Er bildet die deutsche Volksvertretung, d. h. diejenige Körper¬ 
schaft, durch welche das deutsche Volk an der Reichsgesetzgebung teil¬ 
nimmt: denn jedes Reichsgesetz bedarf, wie wiederholt erwähnt, zu 
seinem Zustandekommen neben der Zustimmung des Bundesrats auch 
derjenigen des Reichstags. Ter Reichstag hat aber iiicht nur über die 
vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesentwürse abzustimmen; viel¬ 
mehr steht ihm auch das Recht zu, selbst Gesetze vorzuschlagen (Recht 
der Initiative, s. Nr. 27). Verträge, welche dein Reiche 
Lasten oder den Reichsangehörigen Verpflichtungen auferlegen und 
daher in das Gebiet der Gesetzgebung eingreifen, wie z. B. die Zoll- 
und Handelsverträge, stehen den Gesetzen gleich und bedürfen daher 
zu ihrer Gültigkeit gleichfalls der Zustimmung sowohl des Bundes¬ 
rats wie des Reichstags. 
Ferner wird auch der jährliche Voranschlag des Reichs- 78 
Haushalts (s. Nr. 28 und 1820), sowie die Aufnahme von 
Reichsanlehen jeweils in Form von Gesetzen beschlossen, was 
zur Folge hat, daß auch dazu die Zustimmung des Reichstags er¬ 
forderlich ist. Hierdurch besitzt der Reichstag auch einen Einfluß auf 
die ihrem Wefen nach nicht gesetzgeberische Regierungstätigkeit (die 
sog. Exekutive, s. Nr. 11), soweit sie mit Ausgaben und Einnahmen 
verknüpft ist. Auch hat der Reichstag das Recht, vom Reichskanzler 
jährlich Rechnung über die Verwendung der Reichs¬ 
einnahmen zu fordern; er erteilt ihm hierfür Entlastung 
(D e ch a r g e), wenn er diese Verwendung, als dem Voranschlag ent¬ 
sprechend geschehen, billigt. 
Der Reichstag ist endlich befugt, die Reichsregierung (den Bun- 79 
desrat oder den Reichskanzler) über Gegenstände aller Art, insbeson¬ 
dere über ihre Beurteilung der öffentlichen Zustände und über ihre Ab¬ 
sichten zu interpellieren, d. h. zu befragen, und sog. Peti¬ 
tionen, d. h. Gesuchs, die an den Reichstag von irgend welcher 
Seite gerichtet werden, dem Bundesrat oder Reichskanzler zu über¬ 
weisen. 
2. Wahlrecht und Wählbarkeit.^ 
Das sog. aktive Wahlrecht, d. h. das Recht zum Reichs- go 
tag einen Abgeordneten zu wählen, steht, ohne Unterschied des Be¬ 
sitzes, der Steuerklasse, der Bildung oder des Berufs jedem männ¬ 
lichen deutschen Reichsangehörigen zu, welcher das 25. Lebensjahr 
vollendet hat. Das Stimmrecht ist also ein allgemeines, 
Die Bestimmungen über das Wahlrecht und die Wählbarkeit sind 
nicht in der Reichsderfassung, sondern in einem besonderen Wahlgesetze lvom 
31. Mai 1869) enthalten.
	        
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