Full text: (Für die mittleren Klassen) (Abteilung 2, [Schülerband])

Unter uns das sonnenwarme, tiefblaue Meer mit den nahen Inseln 
Salamis und Aegina und den duftig violetten Felsen von Poros und 
Thermia. Weiter hinüber in wunderbarer Klarheit die unzähligen 
Buchten und Berge und Felsriffe des langhingezogenen Küstensaumes 
des Peloponnes. Und wenden wir uns dann nach der Landseite, da 
liegt die attische Ebene vor uns in einer Pracht und Schönheit, die 
würdig zu schildern nicht einmal die Fornì unb die Farbe des Malers, 
geschweige denn das arme färb- und gestaltlose Wort der Sprache die 
Kraft hat. Diese weite Ebene erscheint fast wie ein regelmäßiger Halb¬ 
kreis. Das zeigt sich besonders, wenn man nach der nördlichen Seite 
hinblickt, nach dell Grenzgebirgen Böotiens. Der Kreis beginnt im 
Osten mit den hohen, ruhig und schwungvoll gezogenen Linien des 
Hhmettus; er geht dann über in den mächtig aufsteigenden Pentelikon, 
biegt nördlich in die Rundung der attisch-böotischen Grenzberge des 
Parnaß und läuft westlich in den Bergzug des Aegaleos aus, von 
dessen äußerster Spitze der übermütige Xerxes der Schlacht von Salamis 
zuschaute. In der Ebene selbst erheben sich dann wieder kleinere Berge 
und Hügel. Der bedeutendste unter ihnen ist der kegelförnuge, schlanke, 
oben mit einer kleinen Kapelle des heiligen Georg gekrönte Lykabettus, 
an dessen linke Seite sich eine sanfte Hügelreihe ansetzt, die sich dann 
bald in das Thal senkt, um nach kurzer Unterbrechung aufs neue in 
den beiden Hügeln von Kolonos aufzutauchen. Und rechts voin Lyka¬ 
bettus, von diesem geschieden durch die breite Niederung, in der die 
Stadt liegt, steigen dann fünf andere einzelne Höhen auf, keine über 
vierhundert Fuß hoch, aber alle schön geformt und, was ihnen den 
eigensten Reiz gibt, umweht t>on dem Zauberhauche der alten Geschichte 
und Sage. Es sind die Höhen des Museion, der Pnyx, des Areopag 
und der Akropolis, und als letzter Endpunkt der Nymphenhügel. Die 
Säulen der Akropolis ftralen im goldigsten Glanze herüber; die blitzen¬ 
den Dächer der Stadt und die weißen Masten des Königspalastes 
bringen Leben und Bewegung in die stille Ruhe der Landschaft, und 
selbst da unten die silbergrauen Blätter des frischen Olivenhains, durch 
den die Wellen des Kephissus zuweilen hindurchblinken, bilden mit dem 
wechselvollen Spiele ihrer Farben einett wirksamen Mittelgrund, der 
sanft hinüberführt von der Bläue des Meeres zum Farbenglanze der 
Stadt und der Berge. 
Die Landschaft von Athen ist eine plastische Landschaft, plastisch 
auch in dem Sinne, daß sie in den Bewohnern eine fest umrissene, 
plastische Anschauungsweise hervorrufen mußte. Auch das zweifelsüchtigste 
Gemüt muß es wohl endlich einsehn, wie innig der griechische Tentpel
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.