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Wenigstens darf man sie kaum als ein Werk der Wahl, der Willkür
betrachten. So ruhen, sich unterrichten, harren, erst spät sich er¬
heben und schlagen, eben das ist die Natur dieses Fürsten.
Ranke.
128. Friedrich Wilhelm, der groffe Kurfürst.
Von den verheerenden Folgen des dreißijährigen Krieges zu Boden
-gedrückt, im Osten von Polen, im Norden von Schweden bedrängt,
außer Stande sich selbst zu helfen, so drohte auch Brandenburg dem
Lose der Verkümmerung und Nichtigkeit zu erliegen, dem damals viel
blühendere Theile Deutschlands verfallen sind. Daß dies nicht geschah,
daß mitten in der Verödung und dem Verfalle der ältesten und schönsten
Fürstentümer Deutschlands auf diesem kargen spät erworbenen Boden
ein durch Arbeitskraft und Rührigkeit wie durch seine Waffenmacht
gleich bedeutsamer Staat erwuchs, das war das weltgeschichtliche Ver¬
dienst Friedrich Wilhelms, des großen Kurfürsten. Er kam gerade
noch zeitig genug zur Regierung, um die unglücklichsten Folgen der
Politik des Vorgängers abzuwenden, dem Kaiser wie den Schweden
gegenüber eine selbständige Haltung zu gewinnen und Hand anzulegen
an die Umgestaltung des Landes, das erst durch ihn zu einem geord¬
neten Ganzen umgeschaffen ward. Mußte er sich doch erst zum Herrn
in seinem eigenen Erbe machen, die Bande der Abhängigkeit von der
Habsburgischen Politik zerreißen, das Land von den äußeren und in¬
neren Drängern befreien und die Lehnsherrlichkeit Polens über Preußen
abschütteln. Was bisher nur zerstreute Provinzen waren, ohne innere
und zum Theil ohne äußeren Zusammenhang über den größten Theil
des deutschen Nordens vom Niemen bis zum Rhein ausgebreitet, nur
zufällig dem Hause Hohenzollern gemeinsam Unterthan, als Kurlande,
als fürstliche Erwerbung, als Polnisches Lehen, das ward jetzt zu ei¬
nem in sich verbundenen, von einem Mittelpunkte aus geleiteten Staats¬
wesen verschmolzen. Wie aber Brandenburg-Preußen der einzige Staat
war, der aus der Zerrüttung bald sich aufrichtete, in dem die Wunden
des Kriegs rasch vernarbten, so war auch sein neuer Regent der ein¬
zige Fürst jener Zeit, der frei von den schlimmen Einflüssen fremder
Nachahmung, kerndeutsch und tüchtig, die wolthätigen Wirkungen der
fürstlichen Macht in großen Ergebnissen veranschaulichte.
In einer Zeit, wo eine Menge fürstlicher Kräfte entweder in der
Verwilderung eines furchtbaren Kriegs unterging oder der französischen
Nachahmerei verfielen, stellte der Brandenburgische Kurfürst fast einzig
^as Muster eines deutschen Fürsten auf, der die verderblichen Einflüsse
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