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218 v. Rein lyrische und episch lyrische Poesie. XVI. Geistl'che Lieder.
Als knieten Viele ungesehn
Und beteten mit mir!
3. Der Himmel nah und fern,
Er ist so klar und feierlich,
So ganz, als wollt' er öffnen sich.
Das ist der Tag des Herrn!
215. Ostern.
Bon Julius Sturm. Neue fromme Lieder und Gedichte. Leipzig, 1868.
1. Siegend steigt die neue Sonne
Aus des Todes dunklem Haus,
Strahlet Licht und Glut und Wonne
Ueber alle Seelen aus.
2. Und es tönt durch alle Lüfte:
„Diesen Tag hat Gott gemacht!"
Und es öffnen sich die Grüfte,
Und die Todten sind erwacht,
3. Und mit denen, die da leben,
Singen sie dem Herren Preis,
Der uns einen Tag gegeben,
Der von keinem Abend weiß.
216. Pfingsten. (1824.)
Von Wilhelm Müller. Frühlingskranz aus dem Plauenschen Grunde. Vermischte Schriften. Leipzig, 1830.
O heilige Frühlingswonne,
Du sinkest nieder,
Strahlend und flimmernd,
In himmlischen Schauern
Auf alle Berg^
In alle Thäler,
In jede Menschenbrust!
Ja, du bist es,
Geist Gottes,
Du gießest dich aus
Ueber die Welt!
Soll ich auf die sonnige Höhe steigen
Und beten?
Soll ich in dem dunkeln Thale liegen
Und sinnen?
O tritt sanft, mein Fuß,
Daß du den Wurm nicht tretest,
Der unter dir
Sich freut des sonnigen Lebens!
Und du, hochschlagende Brust,
Halt an den Athem,
Daß du die Mücke
Nicht in dich ziehest,
Die sich wieget im Strahle
Vor deinem Munde!
217. Gebet. (1846.)
Von Emanuel Geibel. Juniuslieder. Stuttgart, 1847.
Herr, den ich tief im Herzen trage, sei du mit mir,
Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir!
Im Brand des Sommers, der dem Manne die Wange bräunt,
Wie in der Jugend Rosenhage sei du mit mir!
Behüte mich am Born der Freude vor Uebermuth,
Und wenn ich an mir selbst verzage, sei bn mit mir!
Gieb deinen Geist zu meinem Liede, daß rein es sei,
Und daß kein Wort mich einst verklage, sei du mit mir!
Dein Segen ist wie Thau den Reben; nichts kann ich selbst,
Doch daß ich kühn das Höchste wage, sei du mit mir!
O du mein Trost, du meine Stärke, mein Sonnenlicht,
Bis an das Ende meiner Tage sei du mit mir!
