Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

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A. Erzählende Prosa. II. Geschichtliche Darstellungen. 
345. Hussens letzter Gang und Feuertod den 6. Juli 1415. 
Von Friedrich Böhringer. Die Vorreformatoren des 14. und 15. Jahrhunderts. Zürich. 1858. 
Der Verurtheilung folgte unmittelbar die Vollziehung. Ehe Huß auf den 
Richtplatz geführt wurde, mußte er zuvor auf dem bischöflichen Hofe die anbe¬ 
fohlene Verbrennung seiner Bücher mit ansehen. Er lächelte nur. Die Richt¬ 
stätte war die gewöhnliche, wo auch das gefallene Vieh verscharrt wurde, und 
lag außerhalb der Stadt auf dem kleinen Brühl. Huß that seinen letzten Gang 
von mehr als tausend Bewaffneten geleitet; es war dies die Bedeckung; außer 
diesen waren der „gewappneten Mann mehr denn dreitausend ohne das unge- 
wafsnete Volk, das ohne Zahl war, und die Frauen. Er hatte zween gut 
schwarz Röck an von gutem Tuch und einen Gürtel mit einem Beschläge von 
vergüldetem Silber. Und führten ihn zween Diener Herzog Ludwigs, einer zu 
der rechten, der andere zu der linken Seiten, und was nicht gebunden. Und 
gingen da vor ihm zween Rathsknecht und zween hinter ihm her von Konstanz." 
Der Zug mußte wegen des unmäßigen Volksandrangs hie und da Halt machen. 
Auf dem ganzen Gange betete Huß. Man hörte ihn besonders sprechen: „Jesu 
Christe, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner!" In Augenblicken, 
wo man still stand, wandte er sich ans Volk: es solle nicht glauben, er werde 
um Irrlehren willen verbrannt, denn er sei. falsch angeklagt, ein Opfer unge¬ 
rechter Zeugen, seiner bittersten Feinde. 
Angelangt auf der Richtstatt vor dem für ihn bereiteten Scheiterhaufen, 
fiel er zu dreien Malen auf seine Kniee und betete, die Augen gen Himmel ge¬ 
richtet, einige Psalmen, besonders den 51. und 31., ebenso laut und mit ver¬ 
klärtem Antlitz die Worte: „Vater, in deine Hände befehl' ich meinen Geist." 
Während des Vetens fiel die Teufelskrone von seinem Haupte. Einige der 
Schergen setzten sie ihm wieder auf mit den Worten: „Mögest du verbrennen 
zugleich mit den Teufeln, deinen Herren, denen du hier gedient hast!" Darüber 
lächelte er nur. Als er auf Geheiß des Nachrichters vom Gebet aufstehen 
mußte, sprach er: „Herr Jesu Christe, diesen grausamen und schmachvollen Tod 
um deines heiligen Evangeliums und um der Predigt deines Wortes willen will 
ich gern und geduldig ertragen. Du aber verzeih meinen Feinden!" Das 
umstehende Volk selbst wurde von der M, wie es ihn zum Tode gehen sah, 
ergriffen. „Wir wissen nicht," hörte man Einige sagen, „was dieser Mann früher 
gelehrt oder gepredigt hat; jetzt aber sehen und hören wir an ihm nur Frommes." 
Umgekehrt soll, wie männiglich bekannt, ein altes Mütterchen unmittelbar vor 
Anzündung des Scheiterhaufens noch eifrig Holz herbeigetragen haben, bei deren 
Anblick Huß in die Worte ausgebrochen sei: „O heilige Einfalt!" — eine 
Sage, von der wir nirgends in gleichzeitigen Schriften historischen Grund ge¬ 
funden haben. Einige Umstehende, wohl in guter Meinung, erinnerten Huß, 
ob er beichten wollte, da doch in solchen Nöthen Keiner ohne Beichten hinfahren 
sollte. Da sprach er: „Ja, gerne." Ein herbeigerufener Priester Kaplan zu 
St. Stephan, sprach zu Huß: „Lieber Herr und Meister, wollet Ihr abtreten 
des Unglaubens und der Ketzerei, darum Ihr leiden müsset, so will ich Euch gerne 
zu Beichte führen; wollet Ihr aber nicht thun, so wisset Ihr selbst wohl, daß in 
geistlichen Rechten geschrieben ist, daß man einem Ketzer göttliche Sachen nicht 
geben noch thun soll." Da sprach Huß: „Es ist nicht nothwendig"; er hatte 
nämlich kurz vorher im Gefängniß noch eine Beichte abgelegt. Er hätte gerne 
noch zum Volke geredet; der Pfalzgraf aber wollte es ihm nicht gestatten. Da¬ 
gegen durfte er seinen Gefangenwärtern noch seinen letzten Dank sagen. Er
	        
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