VI
Vorwort.
beachtenswertesten, passendsten, am besten erscheint. Schwerlich könnte, unter
diesem Gesichtswinkel betrachtet, ein deutsches Lesebuch zu umfangreich ge¬
nannt werden. Wer hier kargen wollte, täte es auf Kosten der allgemeinen
Heranbildung der ihm anvertrauten Jugend.
Nur bei einem hinreichend ansehnlichen Umfange des vorliegenden
Bandes konnte auch den in den Bestimmungen der Behörde aufgestellten
Forderungen genügend Rechnung getragen werden, so z. B., wenn es galt,
das neunzehnte Jahrhundert mit seinen großen Männern und Ereignissen
der Jugend in würdiger Weise nahezubringen. Es würde mir zur be¬
sondern Genugtuung gereichen, wenn hierin mein Bemühen erfolgreich ge¬
wesen, wenn es mir gelungen wäre, mehr als auf früheren Klassenstufen
angängig war, den Sinn der Schüler zu wecken für die Welt dieses Jahr¬
hunderts von seinen ersten bis zu seinen letzten Jahrzehnten.
Sehr wirksam kann hier der deutsche Lesestoff schon von dem ersten
Kapitel an — durch die Erzählungen — dem Unterricht auf den ver¬
schiedenen Wissensgebieten zu Hilfe kommen. Aus Wirken und Werken,
aus Tat, Wort und Schrift der Männer des Staates und der Literatur
die Zeit begreiflichzumachen, Geschmack und Freude daran zu erhöhen,
das war mein Bestreben. Und nicht sowohl was getan wurde, sondern
wie es getan wurde, nicht sowohl was geschrieben wurde, sondern wie es
geschrieben wurde, sollte zum Bewußtsein der Jugend gebracht werden.
Deshalb wurde denn auch gerade dem Kapitel der Erzählungen, Be¬
schreibungen u.s.w. ein verhältnismäßig breiter Raum gegönnt, deshalb wurde
auch in den späteren Kapiteln überall gern solchen Stücken der Vorzug
gegeben, in welchen zugleich die Persönlichkeit des Autors bestimmt erkennbar
hervortritt, wurde umgekehrt nach Möglichkeit vermieden, Stücke aufzunehmen,
die sich durch einen Bericht des Lehrers ersetzen oder auch, wenigstens was
ihren Inhalt betrifft, in dem einen oder andern Fachlernbuche finden lassen.
So konnte ich mich, um nur an einem Beispiele zu erläutern, was ich
meine, nicht entschließen, ein besonderes Lesestück über Staats- oder Heer¬
wesen, Verfassungs- oder Arbeiterverhältnisse aufzunehmen. Etwas ganz
anderes aber ist es, wenn Bismarck und Moltke darüber zu Wort kommen.
Dann lernt der Schüler zugleich diese beiden Männer an den Stellen
kennen, wo sie im öffentlichen Leben, in der Welt des neunzehnten Jahr¬
hunderts leitend oder doch mächtig eingreifend, beeinflussend hervorgetreten
sind, er erfährt ihr Werk und — ihr Wort, mit dem nicht selten das Werk
zustandegebracht wurde, und der Gegenstand des Staats- und Heerwesens,
der Verfassungs- und Arbeiterverhältnisse ist nicht außer acht gelassen,