Frobenius: Das Heer Napoleons I. — Arndt: Scharnhorst.
150
sich der Hang nach Beute und Gewinn doch nicht selten sogar während
des Gefechtes; gefallene oder tödlich verwundete Kameraden wurden
noch während des Kampfes des, von ihnen selbst erst meistens erbeuteten,
Geldes und ihrer Kostbarkeiten beraubt. Nach dem Gefecht war die
Disziplin oft sehr gelockert. Es ereignete sich im Feldzuge von 1809,
daß sranzösis e Abteilungen nach der Schlacht bei Wagram mit feind¬
lichen zugleich in die Häuser eindrangen, dort gemeinschaftlich die Wein¬
vorräte leerten, sich berauschten und auf die eigenen Offiziere, die zur
Gefangennahme des Feindes aufforderten, Feuer gaben.
52. Scharnhorst.
Ernst Moritz Arndt. Erinnerungen aus dem äußeren Leben. Leipzig.
Im Breslauer Kreise, in dem der alte General Blücher verkehrte, sah
ich auch Scharnhorst, der wie mancher andere vor den neuen Dingen aus
Berlin entwichen war, und seine unvergeßliche, ihm ähnliche Tochter, die
mit allen hohen Gefühlen bis in den siebenten Himmel aufflog, die
Gräfin Julie zu Dohna. Ihr Gemahl, der Rittmeister Burggraf
Friedrich zu Dohna, holte mich ab und führte mich zu Vater und Tochter.
Ich war hinfort viel mit ihnen, und sie nahmen mich oft mit in die
grüne Einsamkeit der umliegenden Dörfer und Wälder, wo man sich
freier und menschlicher ergehen und über das Land und die Hoffnung
des Augenblicks besprechen konnte. Wie war das nun wieder ein gar
anderer Mann als der Blücher! Schlank und eher hager als wohl¬
beleibt, trat er, ja schlenderte er sogar unsoldatisch einher, gewöhnlich
etwas vornübergeneigt. Sein Gesicht war von edler Form und mit
stillen edlen Zügen ausgeprägt, sein blaues Auge groß, offen, geistreich
und schön. Doch hielt er das Visier seines Antlitzes gewöhnlich ge¬
schloffen, selbst das Auge halbgeschlossen, gleich einem Manne, der nicht
Jdeeen in sich aufjagt, sondern über Jdeeen ausruht. Doch tummelten
sich die Jdeeen in diesem hellen Kopfe immer herum; er hatte aber ge¬
lernt, seine Gefühle und Gedanken mit einen: nur halb durchsichtigen,
ruhigen Schleier zu umhängen, während es in seinem Innern kochte.
Doch wie sicher und festgeschlossen er sein Angesicht und die Gebärden
desselben auch hielt, er machte den Eindruck des schlichten, besonnenen
Mannes; man sah keine Vorlegeschlösser vor demselben. So war sein
Wesen; er hatte es wohl gewonnen durch sein Schicksal sowohl als durch
seinen Verstand. Er hatte sich aus niederem Stande emporgerungen
und von unten auf viel gehorchen, auch der Not gehorchen lernen müssen.
Seine Stellung in Preußen war, bei aller Anerkennung seiner Verdienste
durch seinen König und durch viele Edle, doch die eines Fremdlings,