Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

Marcks: Roons geschichtliche Leistung. 
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Beim Ausbruch des 1870 er Krieges und in dessen ganzem Verlaufe 
standen die beiden Freunde wieder dicht zusamnien. Auch manche Gegen¬ 
sätze gegen dritte waren ihnen da gemeinsam, und der alternde Kriegs- 
nnnister, dem Sedan einen geliebten Sohn gekostet hatte, hat in den 
langen und manchmal dumpfen Monaten zu Versailles manche Stunde 
voll Mißvergnügen und Grimm durchgekämpft: zuletzt hob doch der Glanz 
des großen Sieges und die überlegene Gerechtigkeit und reiche Dank¬ 
barkeit seines Königs und Kaisers auch ihn über alles Kleine weit 
hinaus, — Roon hat von allen Früchten seiner Lebensarbeit noch sein 
volles Teil erhalten und genossen. 
Da hat denn freilich auch der tragische Schmerz nicht gefehlt, der 
seinem Erfolge innerlich anhaftete, der Schmerz um das Verhängnis, 
daß gerade der Sieg seines altpreußischen Staates und Heeres, dessen 
Waffenschmied er gewesen, die historische Welt seines Altpreußens, seine 
Welt, unendlich erweiterte und damit zersprengte: Nur mit bitterm 
Kummer schritt Roon aus dem Preußentume, in dem er alt geworden 
war, in den Norddeutschen Bund und in das Deutsche Reich hinüber; 
er half beide herstellen und organisieren, aber das 1867 und 1871 auf¬ 
gekommene System mit seinen! demokratischen Reichstage und seiner 
liberalen Politik blieb ihm im Innersten fremd. Halb widerstrebend hat er 
bis 1878 weitergedient. Er ist vom Dezember 1872 bis November 1873 
— seinen: Herrn und seinem alten Verbündeten zuliebe — ohne seinen 
eigenen Wunsch und ohne das Gefühl, an seiner rechten Stelle zu 
stehen, preußischer Ministerpräsident gewesen; dann zog er sich, von den 
Gnadenbezeugungen seines dankbaren Königs begleitet, — schon war er 
Graf und Generalfeldmarschall, — beinahe 71 jährig in die Ruhe, in 
das La::dleben zurück. Er blieb auch da noch der Herzensfreund, der 
eigentliche Gesinnungsgenosse des alten Kaisers. Er konnte, schwerkrank, 
in Berlin noch persönlich von „seinem Könige" Abschied nehmen: 
einer der ergreifendsten Auftritte ist es gewesen, wie der greise Fürst 
dem nächsten und getreuesten seiner Diener zum letzten Male die Hand 
drückt ilnd ihm den Gruß aufträgt an die alten Kriegskameraden dort 
oben. Im Kreise der Seinen ist Albrecht von Roon kurz darauf still 
entschlafen. Stärken und Grenzen seines Wesens waren dieselbe!: ge¬ 
blieben bis zuletzt. 
Wie vollkommen prägt sich das geistige Wesen Roons in den Gesichts¬ 
zügen aus, die sein Bildnis wiedergibt: ein Antlitz von edlen Linien, 
im Ausdrucke zu jeder Zeit sicher und geschlossen; schauten in der 
Jugend die Augen weitgeöffnet und strahlend al:s ihm hervor, so haben 
später die Augenlider, so scheint es, sich gesenkt, der Blick ist schärfer, 
kriegerischer geworden, jeder Zug tief eingeriffen, alles ist gesammelte 
Wucht des Denkens und des Wollens. 
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