Prokl. b. D. Kaiserreiches. — Moltke: Über b. Wert eines starken, tüchtigen Heeres. 201
Über den wert eines starken, tüchtigen Heeres.
Helmuth von Moltke. Gesammelte Schriften. Reden. Berlin.
Der Wunsch, an den großen Summen, die jährlich für das Militär
verausgabt werden, zu sparen, sie dem Steuerpflichtigen zu erlassen oder
für Zwecke des Friedens §u verwenden, ist gewiß völlig gerecht. Wer
würde sich dem nicht anschließen! Wer malt sich nicht gern aus, wieviel
Gutes, Nützliches und Schönes dann geschaffen werden könnte! Aber ver¬
gessen dürfen wir dabei nicht, daß die Ersparnisse am Militäretat aus einer
langen Reihe von Friedensjahren verloren gehen können in einem einzigen
Kriegsjahr. — Ich erinnere daran, was nach einem unglücklichen Feld¬
zuge der Zeitabschnitt von 1808 bis 1812 unserem Lande gekostet hat.
Dies waren Friedensjahre, waren Jahre, wo der Präsenzstand der Armee
gering, die Dienstdauer so iitr§ war, wie es nur irgendwie gefordert
werden kann, — und doch durfte Kaiser Napoleon sich rühmen, aus betn
damaligen kleinen und armen Preußen eine Milliarde herausgezogen
zu haben. Wir sparten, weil wir mußten, an unserer Armee und zahlten
zehnfach für eine fremde. Allerdings dürfen wir nicht übersehen, daß
namentlich in den allerletzten Jahren die Regierung in dankenswerter
Weise neben den Militärausgaben auch sehr bedeutende Summen für
Friedenszwecke bereitgestellt hat. Aber sie reichen nirgends aus; von
allen Seiten wird mehr gefordert und muß mehr gefordert werden, und
eben deshalb möchte ich meinen, daß wir überhaupt noch nicht soweit
gekommen sind, Steuererlasse empfehlen zu können. Ich nreine, daß jeder,
auch der Geringste, etwas für den Staat steuern müsse, und wäre es
auch nur, damit er nicht ganz vergißt, daß es überhaupt einen Staat
gibt, der für ihn sorgt, ihn schützt, und den er zu schützen wieder be¬
rufen ist; denn die größten Wohltaten, die der Mensch umsonst hat,
weiß er erfahrungsmäßig nicht zu schätzen. Wie soll der Staat auch
auf seine Einnahmen verzichten, wenn auf allen Gebieten noch so viel
zu leisten bleibt? Ich nenne Ihnen nur das der Schule, weil ich glaube,
daß die Schule der Punkt ist, wo der Hebel eingesetzt werden muß,
wenn wir uns gegen Gefahren schützen wollen, die, ebensosehr wie ein
Angriff von außen, uns von innen drohen aus sozialistischen und kommu¬
nistischen Bestrebungen, — Gefahren, die, glaube ich, nur beseitigt werden
können neben sozialen Verbesserungen durch eine größere und allgemeiner
verbreitete Bildung. — Die Schule, nreine Herren, nimnrt nicht die ganze
Jugend in sich auf, und sie begleitet die Mehrheit dieser Jugend nur
auf einer verhältnismäßig kurzen Strecke ihres Lebensganges. Glücklicher¬
weise tritt nun bei uns da, wo der eigentliche Unterricht aufhört, sehr
bald die Erziehung ein, und keine Nation hat bis jetzt in ihrer Gesamt¬
heit eine Erziehung genossen wie die unsrige durch die allgemeine Militär-