siebenmal so tief als der große Thurm in Straßburq, der 438 Fuß hoch ist, und doch 
ist das wie gar Nichts zu rechnen gegen die Dicke unseres Erdkörpers von seiner 
Oberstäche bis zu seinem'Mittelpunkt. Denn diese Dicke beträgt über 20 Millionen 
Fuß. Wenn man nun alles das, was die Menschen bei ihrem Hinabgraben m die 
Tiefe, welches freilich wegen des immer hinunterdringenden Wassers und wegen der 
da unten verdorbenen und dicken Luft gar schwer ist, zusammennimmt und dann mit 
dem vergleicht, was die Naturforscher beim Hinaufsteigen auf die höchsten Berge 
gefunden haben, so hat man Alles beisammen, was wir über den Bau des festen 
Erdkörpers bis jetzt wissen. Dies besteht ungefähr in Folgendem: Tief unter der 
Erdoberfläche, auf der wir wohnen, scheint es große Weitungen, Höhlen zu geben, die 
wohl meistens mit Wasser ausgefüllt sein mögen. Denn bei starken Erdbeben, wie 
sie zuweilen in Asien und auch bei uns in Europa und in Amerika^ zugleich waren, 
hat sich die Erschütterung öfters fast zur nämlichen Zeit über eine Strecke von meh¬ 
reren tausend Meilen, z. B. im Jahre 1755 von Lissabon bis hinüber nach Amerika, 
verbreitet. Das ließe sich wohl nicht erklären, wenn man das Innere der Erde, von 
der Oberfläche hinein, als eine ganz dichte Masse ohne alle Höhlungen annehmen 
wollte. Manche solcher Höhlen sind leer und so weit nach oben gelegen, daß man 
zuweilen leicht hineinsteigen und ihr Inwendiges betrachten kann. Da sind nun frei¬ 
lich die Höhlen, die wir in unserem deutschen Vaterlande haben, wie die Baumanns¬ 
höhle am Harz, oder die Nebelhöhle und Karlshöhle auf unserer Alb, noch lange 
nicht die größten. Selbst jene, Meilen weit sich fortsetzenden unterirdischen Gewölbe, 
zu denen die Adelsberger Grotte bei Triest und die Höhle des Pintragebirges in 
Estramadura in Portugal gehören, sind noch nicht die größten, die man auf der Erde 
kennt, sondern schon Norwegen und die genauer bekannten Gegenden von Nordamerika 
haben Höhlen von unvergleichbar viel mächtigerem Umfang aufzuweisen. In einer 
solchen Weitung der Tiefe verlor sich im Jahre 1344 plötzlich der wasserreiche Fluß 
Gaule in Norwegen, und es dauerte mehrere Tage, bis er die Räume derselben er¬ 
füllt hatte und an der Oberfläche wieder hervorbrechen konnte. In eine solche Wei¬ 
tung versank im Jahre 1702 unweit Friedrichshall in Norwegen der Hof Borge mit 
dem ganzen zu ihm gehörigen Flächenraum, und das benachbarte Felsengebirge enthalt 
Oeffnungen, welche zu unergründlich tiefen Räiimen führen. Die Höhle Dolsten auf 
dem norwegischen Sundmör scheint sich unter das Felsenbett des Meeres fortzujetzen 
und endigt an unzugänglichen Abgründen. In Nordamerika hat noch Niemand den 
Umfang der mächtig weiten, unterirdischen Gewölbe überblickt, die sich im Gebiet von 
Warren Country im Staat Kentucky eröffnen. Neunzehn Stunden lang hatte Ward 
diese Weitungen, deren viele er wegen ihrer ungeheuren Ausdehnung mit Städten 
verglich, durchwandelt, ohne das Ende zu erreichen; die größte der Weitungen ist bei¬ 
nahe vier Stunden vom Eingang entfernt. Und dennoch erscheinen die Höhlen, in 
welche der Mensch einzudringen vermag, meist nur als das obere Geschoß der großen, 
damit zusammenhängenden Räume, die ihm die Tiefe verbirgt. In der Tiefe der 
Erde muß aber auch, wenigstens an manchen Orten, Feuer oder sonst eine Ursache 
wirksam sein, welche große Wärme hervorbringt. Denn wenn man in manche Berg¬ 
schächte in England, die zum Theil unter dem Meeresgrund laufen, hinuntersteigt, 
findet man da nicht blos die gewöhnliche Wärme, welche die Keller im Winter haben, 
und die nur daher kommt, daß die Kälte der Lust dahin nicht eindringen kann, jon- 
dern eine andere selbstständige Wärme, die immer zunimmt, je tiefer man hinab¬ 
kommt, und die ihre Ursache tief unter der Erdoberfläche haben muß. Die Erde selbst 
muß von Innen heraus, außer dem, was die Sonne thut, Wärme verbreiten kön¬ 
nen, daher grünet und wächst das Gras in Finnmarken tief unter dem Schnee fort. 
So bleibt auch auf dem Schwarzwalde auf manchen Wiesen der Schnee nicht lange 
liegen, sondern es sieht immer wieder ein frisches Grün unter demselben hervor, weil 
hie und da laulichte Quellen hervorbrechen, die nur in ziemlich geringerem Grade er¬ 
wärmt sind, als die in Baden-Baden und Wildbad, welche dem unterirdischen Wärme¬ 
herde ain nächsten sind. Die feurigen und geschmolzenen Massen, welche die feuer¬ 
speienden Berge auswerfen, müssen auch aus einer sehr großen Tiefe herauskommen, 
und wahrscheinlich wohl aber daher, wo jene von unten heraufdringende Wärme her¬ 
kommt. Der berühmte Reisende Alexander v. Humboldt hat in einen gerade damals 
ganz ruhigen Schlund eines feuerspeienden Berges hinuntergesehen. Da erblickte er 
m einer ungeheuren Tiefe, unten in einer weiten Höhlung, drei unterirdische Berg¬ 
spitzen , aus denen oben Feuer und Rauch herausdrang. Auch im Aetna sieht man, 
wenn er ganz ruhig ist, in der Tiefe unten das Feuer beständig aufwallen, die Lava¬ 
masse wie ein siedendes Wasser immer heraufkochen und wieder niedersinken. Aber
	        
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