Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

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Diesterweg: Der Kulturwert der Astronomie als Weltwissenschaft. 325 
Natur noch ihren Urheber, der dem Astronomen, dem Naturforscher durch 
seine Forschung nicht verloren geht. Das Göttliche verschwindet ihm 
nicht; aber er unterscheidet, wo es zu finden ist, und wo nicht. Er hat 
die feste Überzeugung, daß es nur eine Wahrheit gibt, d. h. daß alle 
Wahrheit miteinander übereinstimmen muß. Es ist unmöglich, daß auf 
dem einen Gebiete menschlichen Erkennens das wahr sei, was auf dem 
andern falsch ist. Aller Inhalt des Wissens, Glaubens und Fürwahr¬ 
haltens muß daher miteinander in Übereinstimmung und Einklang ge¬ 
bracht werden. Also verlangt es die höchste Gabe des Menschen, die 
Vernunft. Der denkende Mensch sollte eher auf alles verzichten als auf 
die vernunftgemäße Betrachtungsweise aller Dinge. 
Das astronomische Wissen gehört zum gewissesten Wissen, es ist der 
Vernunft gemäß, es hat seine Gültigkeit für alle Zeiten und durch alle 
Räume des Weltalls; die Astronomie ist darum mit Recht die „Welt¬ 
wissenschaft" genannt worden. 
Der Astronom und Naturforscher verwirft nur das, was mit seinem 
sichern Wissen in Widerspruch steht. Er charakterisiert sich dem Schwärmer 
gegenüber dadurch, daß er sich nicht nur seines Wissens, sondern auch 
seiner Unwissenheit und der Gründe dieser Unwissenheit bewußt ist. 
Allerdings aber strebt er, wie ein jeder charakterfeste Mann, sein Wissen 
fest zu begründen und zu erweitern; eben darum kennt er in jedem 
Augenblicke die Grenzen seines Wissens und lernt daraus —Bescheidenheit. 
Die Bescheidenheit! — diese edle Frucht wirklicher Erkenntnis, im 
Gegensatze zu der Anmaßung derer, die die Demut stets im Munde 
führen und anderen empfehlen, während sie durch ihr Gebaren beweisen, 
wie weit sie von der einfachen menschlichen Tugend der Bescheidenheit 
noch entfernt sind. Wo kann der Mensch, der sich so gern einbilden 
möchte, die Welt sei nur seinetwegen geschaffen, besser die Bescheidenheit 
lernen als bei der Betrachtung des unermessenen Weltalls, in dem unsere 
Erde, ja unser Sonnensystem nichts ist als ein winziges Körnchen, nichts 
als ein Tropfen in: unendlichen Ozean! — 
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