fullscreen: Lesebuch zur Einführung in die deutsche Litteratur (Teil 6, [Schülerband])

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mir täglich verlieh, waren gleichsam die Sporen, wie mich zu höheren 
Dingen antrieben. Ich dachte Tag und Nacht darüber nach, wie ich 
etwas anstellen möchte, um mich noch größer, namhafter und ver¬ 
wunderlicher zu machen; ja ich konnte vor solchem närrischen Nach¬ 
sinnen oft nicht schlafen. Und weil ich sah, daß es mir an Gelegenheit 
mangelte, im Werke zu erweisen, was ich für einen Mut in mir trüge, 
so bekümmerte ich mich darüber, daß ich nicht tagtäglich Gelegenheit 
haben sollte, mich mit dem Gegenteile in den Waffen zu üben. Ich 
wünschte mir oft den trojanischen Krieg herbei, oder eine Belagerung 
wie zu Ostende, und ich Narr dachte nicht daran, daß der Krug so¬ 
lange zum Brunnen geht, bis er endlich einmal zerbricht. Es geht 
aber nicht anders, wenn ein junger unbesonnener Soldat Geld, Glück 
und Kourage hat. Denn da folgt Übermut und Hoffart, und aus 
solcher Hoffart hielt ich mir, anstatt eines Jungen, zwei Knechte, die 
ich trefflich herausstaffierte und beritten machte. Damit bürdete ich 
mir den Neid aller Offiziere auf, als welche mir das mißgönnten, 
was sie selbst zu erobern das Herz nicht hatten. 
Das einunddreißigste Kapitel. 
Drr Wahn betrügt. 
Die Frömmigkeit ist bald zu betrügen, 
Wenn die Bosheit anfängt zu lügen. 
Ich muß nun noch ein Stücklein oder etliche erzählen, die mir 
hin und wieder begegnet sind, ehe ich wieder von meinen Dragonern 
hinwegkam, und obschon sie nicht gerade von Wichtigkeit sind, so sind 
sie doch lustig zu hören. Denn ich nahm mir nicht allein große Dinge 
vor, sondern verschmähte auch die geringen nicht, wenn ich nur mut¬ 
maßte, daß ich dadurch Ruhm und Verwunderung bei den Leuten 
erwecken möchte. 
Mein Hauptmann wurde mit etlichen und fünfzig Mann zu 
Fuß in die Festung von Recklinghausen befehligt, um daselbst einen 
Anschlag zu verrichten, und weil wir dachten, wir würden, ehe wir 
denselben ins Werk setzen könnten, einen oder etliche Tage uns in 
den Gebüschen heimlich halten müssen, so nahm ein jeder von uns 
auf acht Tage Mundvorrat zu sich. Da nun aber die reiche Karawane, 
welcher wir aufpaßten, um die bestimmte Zeit nicht ankam, so ging 
uns das Brot aus, welches wir auch nicht rauben durften, es sei denn, 
daß wir uns hätten selbst verraten und unser Vorhaben wollen zunichte 
werden lassen. Daher preßte uns denn der Hunger gewaltig, zumal 
da ich an diesem Orte auch keine Kunden hatte, wie anderswo, die 
mir und den Meinigen heimlich etwas zutrugen. Deswegen mußten 
wir, um Fütterung zu bekommen, auf andere Mittel bedacht sein,
	        
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