Goethe: Frankfurt in der Jugend Goethes.
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erlangen suchten. Der Kaiser, der ihrer bedurfte, erteilte eine solche
Freiheit, da wo es von ihm abhing, gewöhnlich aber nur auf ein Jahr,
und sie mußte daher jährlich erneuert werden. Dies geschah durch
symbolische Gaben, welche dem kaiserlichen Schultheißen, der auch wohl
gelegentlich Oberzöllner sein konnte, vor Eintritt der Bartholomäimesse
gebracht wurden, und zwar des Anstands wegen, wenn er mit den Schöffen
zu Gericht saß. Als der Schultheiß späterhin nicht mehr vom Kaiser
gesetzt, sondern von der Stadt selbst gewählt wurde, behielt er doch diese
Vorrechte, und sowohl die Zollfreiheiten der Städte als die Zeremonien,
womit die Abgeordneten von Worms, Nürnberg und Alt-Bamberg diese
uralte Vergünstigung anerkannten, waren bis auf unsere Zeiten ge¬
kommen. Den Tag vor Mariä Geburt ward ein öffentlicher Gerichtstag
angekündigt. In dem großen Kaisersaale, in einem umschrünkten Raume,
saßen erhöht die Schöffen und eine Stufe höher der Schultheiß in ihrer
Mitte; die von den Parteien bevollmächtigten Prokuratoren unten zur
rechten Seite. Der Aktuarius fängt an, die auf diesen Tag gesparten
wichtigen Urteile laut vorzulesen; die Prokuratoren bitten um Abschrift,
appellieren, oder was sie sonst zu tun nötig finden.
Auf einmal meldet eine wunderliche Musik gleichsam die Ankunft
voriger Jahrhunderte. Es sind drei Pfeifer, deren einer eine alte Schal¬
mei, der andere einen Baß, der dritte einen Pommer oder Hoboe bläst.
Sie tragen blaue, mit Gold verbrämte Mäntel, auf den Ärmeln die
Noten befestigt, und haben das Haupt bedeckt. So waren sie aus ihrem
Gasthause, die Gesandten und ihre Begleitung hinterdrein, Punkt zehn
ausgezogen, von Einheimischen und Fremden angestaunt, und so treten
sie in den Saal. Die Gerichtsverhandlungen halten inne, Pfeifer und
Begleitung bleiben vor den Schranken, der Abgesandte tritt hinein und
stellt sich dem Schultheißen gegeniiber. Die symbolischen Gaben, welche
auf das genaueste nach dein alten Herkommen gefordert wurden, bestanden
gewöhnlich in solchen Waren, womit die darbringende Stadt vorzüglich
zu handeln pflegte. Der Pfeffer galt gleichsam für alle Waren, und so
brachte auch hier der Abgesandte einen schön gedrechselten hölzernen
Pokal mit Pfeffer angefüllt. Über demselben lagen ein Paar Hand¬
schuhe, wundersam geschlitzt, mit Seide besteppt und beguastet, als Zeichen
einer gestatteten und angenommenen Vergünstigung, dessen sich auch wohl
der Kaiser selbst in gewissen Fällen bediente. Daneben sah man ein
weißes Stäbchen, welches vormals bei gesetzlichen und gerichtlichen Hand¬
lungen nicht leicht fehlen durfte. Es waren noch einige kleine Silber¬
münzen hinzugefügt, und die Stadt Worms brachte einen alten Filzhut,
den sie immer wieder einlöste, so daß derselbe viele Jahre ein Zeuge dieser
Zeremonien gewesen.
Nachdem der Gesandte seine Anrede gehalten, das Geschenk abge-