Die versunkene Stadt. 27
188. Die versunkene Stadt.
Rudolf Baumbach.
1. Fernher tönte Cikadengesang,
Winde und Wellen ruhten,
selten ein silbernes Fischlein sprang
über die schweigenden Fluten.
Glimmende Funken der Sonnenball
über das Wasser verstreute. —
Horch da drang aus der Tiefe ein Schall
leise wie Glockengeläute:
Kling, klang, kling, klang,
versunken, versunken, wie lang, wie lang!
2. Liegt eine Stadt Jahrhunderte lang
bergetief unter den Wogen.
Muscheln, Korallen und schlüpfriger Tang
haben die Mauern umzogen.
Zinnen und Türme streben empor
hoch aus dem sandigen Grunde:
selten gibt leiser Glockenchor
von der Verschollenen Kunde.
Kling, klang, kling, klang,
versunken, versunken, wie lang, wie lang!
3. Ruhend unter dem Segeldach
lauscht' ich dem Ton aus den Tiefen.
Alte Märchen rief er mir wach,
die in der Seele mir schliefen.
Was mir gesungen der Ahne Mund
abends bei Spindel und Rocken,
klang mir jetzt aus des Herzens Grund
leis wie versunkene Glocken.
Kling, klang, kling, klang,
gesungen, verklungen, wie lang, wie lang!
189. Waldharfen.
Julius Wolff.
1. Ein leises, fernes Rauschen 2. Waldharfen viele tausend
klingt stehn
vom Bergeshaupt hernieder, festwurzelnd am Gelände,
und wie es schwillt und näher dringt, die schlägt der Wind, darüber gehn
vernehm' ich Wipfellieder. läßt er die starken Hände.
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