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Freude des Mannes sehen sollen. Wie ftöhlich war er, als er zum erstenmal
das Theater wieder besuchte; wie heiter erzählte er mir den folgenden Tag, daß
ihm der Ausgang gar nicht geschadet habe usw. Da sagte er auch einige Male,
daß er mich bald auf meinem neuen Zimmer besuchen wollte, und einmal, als
ich ihn von Goethen zu Hause brachte, führte ich ihn an meine Haustüre, die
er sich merkte. — Nun sann ich schon auf ein kleines Fest, womit ich ihn nach
meinem Vermögen auf meinem Gartenhause bewirten wollte. Ich hatte schon
41/2 Laubtaler bloß für den Champagner gespart und wartete nur auf den ersten
Frühlingstag, aber sein Todestag kam früher als der erste Frühlingstag.
Ich habe einige herrliche Reliquien von ihm. Sein Stehpult, an dem er
neun Jahre gearbeitet, hat mir die Hofrätin geschenkt, ferner seine beste Tabaks¬
pfeife. Seinen Wilhelm Tell hat er mir selbst geschenkt und gar freundliche
Worte hineingeschrieben, und dann besitze ich einige Briefe von ihm, die er mir
nach Jena hin geschrieben. Einen, den er an meinen Vater schickte, habe ich Dir
durch Abeken zukommen lassen; o, halt ihn ja in Ehren. Hier schicke ich Dir
auch einige Haare, die von seinem heiligen Haupte sind. Du legst gewiß einen
Wert darauf. Du pflegtest mehrmals in Eutin zu sagen: „An dem Manne ist
alles liebenswürdig, selbst sein Tabakssteckchen unter der Nase." Das hab' ich
ihm einmal wiedererzählt, und er hat herzlich darüber gelacht. Ja, wohl war
an diesem heiligen Manne alles liebenswürdig!
So viel für heute, mein guter Iden, bald gibt es mehr; denn ich bin noch
lange nicht zu Ende und käm' wohl im Grunde nie zu Ende. Deine Schwester
muß ein liebenswürdiges Mädchen sein, weil sie eine solche Verehrerin von
Schiller ist. —
Schiller hat eine Gattin und vier Kinder hinterlassen, zwei Knaben (die ich
so gerne meine lebendige Erbschaft nenne) und zwei Mädchen von 4 und 1 Jahr. —
Der älteste Knabe, Karl, ist ein schöner Junge von 12 Jahren, schlankgewachsen,
lebhaft, freundlich und unbeschreiblich herzlich, recht das Ebenbild seines Vaters,
wiewohl ihm der hohe dichterische Geist fehlt. So war Andreas Stolberg in
seinem 12. Jahr, so muß der selige Schiller etwa in seinem 12. Jahr ausgesehen
haben. Der zweite, Ernst, ist ein gar biederer Knabe, der die Züge seiner Mutter
hat, ein äußerst kluger Junge, von tiefem Geiste, doch ohne Dichtertalent. Diese
Jungen sind meine täglichen Gefährten; um 6 Uhr abends kommen sie zu mir
und holen mich zum Spazierengehen ab, oder zur Mutter, wo wir oft Vor¬
lesungen halten aus der Luise usw. — Du schreibst mir einmal, lieber Iden,
„ich weiß nicht, wo mir der Magnet sitzt, daß ich die Kinder so an mich ziehe,
es ist weder Verdienst noch Würdigkeit". — Gerade so geht es mir mit Kindern,
unter anderen mit diesen beiden liebenswürdigen Schillerschen Knaben. Sie
haben zu mir ein außerordentliches Zutrauen und sind in der Gesellschaft von
gleichaltrigen nicht so fröhlich wie in der meinigeü. Ich erzähle ihnen tagtäglich
von ihrem Vater, und dann glühen dem Karl die Augen vor Freude. Ich
freue mich schon auf die Zeit, wo ich mit diesen Kindern die Schriften ihres