Full text: [Abteilung 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Obertertia, [Schülerband])

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krämer*) und Tauschhändler, die aus dem Reiche ins Gebirge kamen, wollte auch 
nur einen Heller für solche Steine geben, wie sie von den Venedigern gesucht 
wurden. Die Fremden mußten daher im Besitze eines Zaubers sein, der den 
Steinen Wert verlieh, oder die Steine zu einem Zauber brauchen, der reich 
machte, und so kam es, daß sich um die Venediger ein Sagennetz spann, das um 
so dichter wurde, je vereinzelter sie wiederkehrten, bis zuletzt, als sie gänzlich 
ausblieben, nur noch das Märchen von ihnen zu erzählen wußte. In dem 
Märchen nun heißt es, daß die Venediger Zaubermäntel besaßen, auf denen sie 
mit ihren erbeuteten Schätzen durch die Luft zogen, daß sie die Geheimnisse der 
Wünschelrute auf das genaueste kannten und im Besitze der von den Alchymisten 
so lange vergeblich gesuchten Tinktur gewesen seien, von der einige wenige Tropfen 
genügten, um unedle Metalle in blinkendes Gold zu verwandeln. Dem Teufel 
aber waren sie samt und sonders verfallen; der drehte ihnen zum Schluß regel¬ 
recht den Hals um, und deshalb wurden ihrer immer weniger, bis keiner mehr 
dem Bösen sein ewig Teil für zeitlichen Gewinn verkaufen mochte. Dennoch ging 
alles mit rechten Dingen zu. Die Venediger blieben aus, als die von ihnen 
besuchten Gegenden arm an Ausbeute geworden waren, und der Zauber, den sie 
besaßen, bestand in technischen Handgriffen und Vorteilen, die, von alters her ihnen 
überliefert, von Vater auf Sohn vererbt, als Fabrikgeheimnisse keinem Fremden 
mitgeteilt wurden. Der Stein, den sie sammelten, war gewöhnlicher unscheinbarer 
Achat, den sie jedoch mit ihrer Kunst in kostbaren Onyx und Sardonyx umzu¬ 
wandeln verstanden. 
Im rohen, unverarbeiteten Zustande bildet der Achat, dessen Name von dem 
Flusse Achates auf der Insel Sizilien abgeleitet wird, kugelige oder mandelförmige 
Knollen von sehr verschiedener Größe. Äußerlich sind sie gewöhnlich mit einer Schale, 
von kieseliger Grünerde bekleidet, während sich im Innern der gespaltenen Knollen 
regelmäßige Streifen abgelagerter Kieselsäure zeigen. Diese streifenartigen Lagen 
sind oft so fein, daß ihrer ein Paar hundert auf einen Millimeter kommen 
und erst unter dem Mikroskope wahrgenommen werden können; häufiger dagegen 
sind die Lagen dicker und von verschiedener Färbung, wie Achatschalen oder 
andere aus Achat verfertigten Gegenstände deutlich zeigen. Die Streifen, die den 
Achat kennzeichnen, haben gleichzeitig verraten, auf welche Weise er entstanden ist. 
Man nimmt an, daß das Gestein, in dem sich Achate befinden, aus jenen 
Zeiten stammt, in denen glühende Lavaströme aus der Erde hervorquollen und 
verändernd auf ihre nächste Umgebung wirkten. In den Laven entstanden Blasen 
— Hohlräume —, wie dies noch heute an der Lava des Vesuvs wahrgenommen 
wird, und diese wurden die Ablagerungsstätte der Achat bildenden Streifen. Die 
das Gestein durchdringende Feuchtigkeit löste Kieselsäure auf, gelangte durch 
kleinere oder größere Kanäle in den Hohlraum und lagerte auf seine Innen¬ 
wand die mitgenommene Kieselsäure ab, die dort in Streifenform zurückblieb, so 
') Hausierer mit allerhand Waren.
	        
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