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so bleiben! Von Weißenburg kamen heut 400 französ. Gefangne hier
durch und 400 durch Darmstadt. Bei Saarbrück sind heut die abziehenden
Mordbrenner, die diese offne Stadt wie Botokuden angezündet haben, von
Göben erreicht und (Corps von Froffard) gründlich in die Flucht geschlagen
worden. In den nächsten Tagen wird das mit Gottes Hilfe auch mit der io
Hauptarmee der Fall sein. Von Deiner Mutter habe ich gute Nachricht,
werft nur fleißig Briefe für sie auf die Post, wo Ihr könnt; ich hoffe, sie
wird bald nach Nauheim gehn.
Grüße Bill') herzlich und bitte Gott mit mir und mit Deiner Mutter,
daß er uns alle gesund wieder zusammenführe, vor allem aber uns Sieg
verleihe nach Seiner Gnade. Dein treuer Vater
v. Bismarck.
Wird einer von Euch beiden blessiert, so telegraphiert mir nach des
Königs Hauptquartier, so schnell es geht. Eurer Mutter aber nicht vorher.
An Krau Gräfin v. Kismarck.
Vendreffe 3. September 1870.
Mein liebes Herz! 20
Vorgestern vor Tagesgrauen verließ ich mein hiesiges Quartier, kehre
heut zurück und habe in der Zwischenzeit die große Schlacht von Sedan am
1. erlebt, in der wir gegen 30000 Gefangne machten und den Nest der
sranzösischen Armee, der wir seit Bar le Duc nachjagten, in die Festung
warfen, wo sie sich mit dem Kaiser kriegsgefangen ergeben mußte. Gestern
früh 5 Uhr, nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke und den französischen
Generälen über die abzuschließende Kapitulation verhandelt hatte, weckte
mich der General Reille, den ich kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon
mich zu sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen
Sedan, fand den Kaiser im offnen Wagen mit 3 Adjutanten und 3 zu 30
Pferde daneben auf der Landstraße vor Sedan haltend. Ich saß ab, grüßte
ihn ebenso höflich wie in den Tuilerien und fragte nach seinen Befehlen.
Er wünschte den König zu sehn; ich sagte ihm der Wahrheit gemäß, daß
S. M. 3 Meilen davon an dem Orte, wo ich jetzt schreibe, sein Quartier
habe. Auf N.'s Frage, wohin er sich begeben solle, bot ich ihm, da ich
gegendunkundig, mein Quartier in Donchery an, einem kleinen Ort an der
Maas dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen 6 Franzosen,
von mir und von Karl, der mir inzwischen nachgeritten war, geleitet, durch
den einsamen Morgen nach unsrer Seite zu. Vor dem Ort wurde es ihm
leid wegen der möglichen Menschenmenge und er fragte mich, ob er in 40
I
') Wilhelm, der jüngere Sohn Bismarcks.