Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Classen höherer Lehranstalten

Kleinere epische Dichtungen. 
—78 
Ein Greis im Waffengeschmeide 
Und trat in den dunkeln Chor. 
2 Die Särge seiner Ahnen 
Standen die Hall entlang; 
Aus der Tiefe thät ihn mahnen 
Ein wunderbarer Gesang. 
3Z „Wohl hab' ich Euer Grüßen, 
Ihr Heldengeister, gehört; 
Euͤre Reihe soll ich schließen, 
Heil mir, ich bin es werth! 
Es stand an kühler Stätte 
Ein Sarg noch ungefüllt, 
Den nahm er zum Ruhebette, 
Zum Pfuhle nahm er den Schild. 
5 Die Hände that er falten 
Aufs Schwert und schlummert ein; 
Die Geisterlaute verhallten, 
Da mocht' es gar stille sein. Uhland. 
141. König Erich's Glaube. 
1 In Stadt Upsala's Kirche, da stand der 
Hochaltar 
mit Leuchtern, mit Kerzen 
hell und klar, 
Und auf des Altars Stufen, mit fromm er— 
hobner Hand, 
Der Schwedenkönig Erich im schönen Fest— 
gewand. 
2 „Gott, wer zu Dir sich stellet, hat sicher 
sich gestellt; 
Wer sich zu Dir gesellet, der hat sich gut 
gesellt!“ 
Er ruft's, und mit ihm Alle, daß Chor und 
Kuppel hallt; 
„Wenn Gott, der Herr, mit uns ist, wer 
hat da noch Gewalt?“ 
3 Und wie sie also beten, da theilt sich 
rasch der Chor, 
Ein staubbedeckter Bote stürzt athemlos hervor. 
Genad' uns Gott! der Däne Skalater rückt 
heran, 
Schon strömt er von den Bergen mit sieben⸗ 
hundert Mann!“ 
4 Der König hört es ruhig und ruft, von 
Gott erhellt: 
„Herr, wer zu Dir sich stellet, der hat sich 
wohl gestellt!“ 
Da stürzt ein zweiter Bote dem ersten keu— 
chend nach: 
Walle, der letzte Riegel 
brach!“ 
5 Der König aber hört es und singt, von 
Muth geschwellt: 
„Wer sich zu Gott gesellet, der hat sich gut 
gesellt!“ 
Da kommt ein dritter Bote, — doch eh er 
Kunde gab, 
Schnellt ihm ein Dänensäbel das Haupt vom 
Rumpf herab. 
6 Da dröhnt ein wildes Lärmen, da wir— 
belt wüst Geschrei; 
Skalater kommt gewüthet voll Glaubens- 
raserei, 
Stkalater lommt gewüthet mit siebenhundert 
Maͤnn, · 
Und König und Glauben 
scheins gethan. 
7 Da faßt mit eins Herr Erich das gülden— 
helle Kreuz, 
Und stredt es gegen Himmel, und schwing! 
es allerseits, 
143. Das Schloß am Meere. 
1 Hast Du das Schloß gesehen, 
Das hohe Schloß am Meer? 
Golden und rosig wehen 
Die Wolken drüber her. 
2 Es möchte sich niederneigen 
In die spiegelklare Fluth; 
ðs möchte streben und steigen 
In der Abendwolken Gluth. 
3 „Wohl hab' ich es gesehen, 
Das hohe Schloß am Meer, 
Und den Mond darüber stehen, 
Und Nebel weit umher.“ 
4 Der Wind und des Meeres Wallen, 
Gaben sie frischen Klang? 
Vernahmst Du aus hohen Hallen 
Saiten und Festgesang? 
5 „Die Winde, die Wogen alle 
Lagen in tiefer Ruhl 
Einem Klagelied aus der Halle 
Hoͤrk ich mit Thränen zu.“ 
6 Saͤhest Du oben gehen 
Den König und sein Gemahl? 
rothen Mäntel Wehen? 
Der golbnen Kronen Strahl? 
7 Jüuhrten sie nicht mit Wonne 
Eine schoͤne Jungfrau dar, 
Herrlich wie ine Sonne 
Strahlend im goldnen Haar? 
8 „Wohl sah ich die Eltern beide, 
Ohne der Kronen Licht, 
Im schwarzen Trauerileidel 
dDie Jungfrau sah ich nicht.“ Uhland.
	        
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