s s 1 3 163
Landes hineilt. Zurückkehrend zögert er wohl auf dem Bergrahmen linker
hand und seinen mahnenden Trümmern. Fragende Unruhe aus der
Bergangenheit wird aufgestört; doch rechts über dem Tal hebt sich mit
ungebrochenen Mauern der Bismarckturm und antwortet: davor stehe
jetzt ich. Das Auge ruht und ergeht sich dann auf immer neuen Wegen.
Ist es der höhen satt, so weidet es auf der Fläche; hat es forschend über
dem Lande verweilt, so lockt der Strom es in die Ferne, und vom Suchen
in der Ebene steigt es wieder über Stadt und Schloß zur dritten höhen—
stufe, dem Berg, hinan. Dieser zieht den reich erfüllten Blick aus Zer—
streuung und Gegensätzen auf seine ruhige Masse; er gleitet das weite,
wellige Hhalbrund der Waldberge entlang: Menschen, Geschichte und heller
Tag rücken hinter uns, und in Schatten und einsamer Stille des Waldes
sind wir geborgen.
Lernt sehen! Lernt hören! Könnt ihr die Stimmen der Brunnen
unterscheiden, die in eurer Nachbarschaft rauschen; wißt ihr, was sie aus
den „urbemoosten Zellen“ des Berges zu erzählen haben? Und von lauter
und leiser Bewegung schauet auf, wie die Wolken schweigend gleiten; gibt
es da schöneres Reisen, als wenn auf weißen Sommerwolkenflügeln die
jungen Wünsche ins Blaue ziehn? Mutet euren Augen etwas zu; ihr
könnt ihnen trauen. Sie tragen aus den Schranken der Enge zu locken—
der Ahnung neuen Entdeckens, auch wenn ihr hier unten nicht von der
Stelle kommt, sondern nur zuseht, wie sich am Abend die Lichter ent—
zünden, droben an den unsichtbaren Schiffen, die seit Ewigkeit mit uns
im gleichen Meere weiter fahren. Dann erlebt ihr und werdet reicher,
wenn es euch drängt, mit allem, was arbeitet und lebt, befreundet und
eins zu werden.
Befreundet mit allem, Bergen, Bäumen und Menschen; nachzufühlen,
was gearbeitet und gelitten wurde, ehe wir kamen; mitzuleben, was die
Leute um uns können und wollen; sich zu freuen an dem, was sie Gutes
und Großes schaffen, und kräftig sich zu ärgern und zu hindern, wenn sie
Verkehrtes tun; solcher Zorn und solche Freude; diese Gemeinschaft mit
dem, was gewesen, mit Natur und Menschen jetzt, und der ehrfürchtig
ahnende Blick in das, was noch wird; ein Gefühl, daß das Ganze hier ein
großer und treibender Baum und wir ein Zweig daran; all dies zusammen
heißt man: eine heimat haben. Und nur, wer eine heimat hat, kann
reisen. Denn wer an einer Stelle zu Hause ist, dem werden alle Dinge
der Fremde zum Besten und zum Leben gedeihen.
131. Das pfälzische Haus.
Wilhelm Riehl. Die Pfälzer. Cotta.
Die rheinische Landschaft dankt die Hhälfte ihrer Schönheit dem
malerischen Wesen ihrer Dörfer. — Worin liegt dieses Malerische des
rheinischen häuserbildes? Vorab darin, daß alle die tausendmal ab—
11