Minuten hat die alte Lotte kein Futter mehr in ihrer Krippe. Auch der
Sohn des Hausherrn, der unterdessen aufgestanden, tritt in den Stall,
sieht alles nach und nimmt redlich am Schelten mit teil.
Aber plötzlich ertönt ein Zauberwort, das allem Leben und Treiben
eine andere Gestalt gibt. Aus der halb geöffneten Vorplatztür steckt
nämlich die eine Magd ihren Kopf und ruft laut mit heller Stimme die
Diele hinab: „Rinkamen! — Wat eten!" Noch ein paar Schläge —
und das Geklapper der Drescher verstummt) schnell wird noch einigen
Pferden neues, wohlgenäßtes Häcksel eingeschüttet, und in wenigen
Minuten sitzt alles um die große, dampfende Zinnschüssel mit süßer, auf¬
gekochter Milch und wartet, bis der Großknecht, der eben mit gewaltiger
Arbeit vom mächtigen Schwarzbrot daumdicke Schnitte abschneidet, mit
seinem Werke fertig ist. Schnell ist die Schüssel voll gebrockt und nun
alles in vollem Essen, kaum ein Wort wird gewechselt; noch eine halbe
Stunde — und man ist satt. Was noch in der Schüssel blieb, bekommt
der mächtige Hofhund, der Liebling des Großknechts. Die hölzernen und
zinnernen Löffel werden jetzt am Tischtuche abgewischt, und mit Gepolter
bricht man auf.
Der Sohn des Hauses hat indes seine Morgenkost allein verzehrt;
denn nur im Felde ißt er mit den Leuten, und wieder geht's zum
Stall. — Die Krippen sind alle leer gefressen. Jetzt die Pferde heraus
und angeschirrt! Zwei werden vor den Wagen gespannt, auf den man
eben ein paar Eggen und Säcke mit Saatgerste gelegt hat; der Sohn
führt, der Großknecht und zwei Jungen reiten hinterdrein, und so trabt
der Zug dem unfernen Ackerfelde zu, wo gepflügt und gesät werden soll.
Der Sohn hält den einen, der Knecht den andern Pffug, jeder
mit vier Pferden bespannt, die ein Junge treibt. Zu Hause haben
auch die Drescher wieder begonnen, und ein Knecht mistet das Vieh.
Eine Magd arbeitet am Butterfasse, und eine andere, kleinere wäscht erst
die Baljen und geht dann in der Küche der Tochter zur Hand.
Diese bereitet den Kaffee; denn auch die Alten haben sich jetzt erhoben
und machen beide ihren Morgengang: er im Flausrock, in gewirkter
Schlafmütze und Pantoffeln durch Diele, Stall und Scheunen; die gute
Mutter aber, angetan mit sauberem, dunkelfarbigem Morgenrock von
Kattun, durch Küche und Keller, Milch- und Speisekammer, bis der
duftende Kaffee, in blanker Messingkanne auf dem Sofatische stehend,
Eltern und Tochter auf ein behagliches halbes Stündchen in der sauberen
und sehr einfachen Wohnstube wieder vereinigt. Schließlich langt der
Alte nach seiner langen Morgenpfeife, die letzten Zeitungen und Anzeige¬
blätter hervorsuchend; die Mutter aber berät mit ihrer Tochter den
Mittagstisch.
Wieder eine Weile später. — Die Mutter hat sich ans Spinnrad
gesetzt und spinnt weiche Wolle, zu warmen Socken für den Sohn be-