Full text: [Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband])

Minuten hat die alte Lotte kein Futter mehr in ihrer Krippe. Auch der 
Sohn des Hausherrn, der unterdessen aufgestanden, tritt in den Stall, 
sieht alles nach und nimmt redlich am Schelten mit teil. 
Aber plötzlich ertönt ein Zauberwort, das allem Leben und Treiben 
eine andere Gestalt gibt. Aus der halb geöffneten Vorplatztür steckt 
nämlich die eine Magd ihren Kopf und ruft laut mit heller Stimme die 
Diele hinab: „Rinkamen! — Wat eten!" Noch ein paar Schläge — 
und das Geklapper der Drescher verstummt) schnell wird noch einigen 
Pferden neues, wohlgenäßtes Häcksel eingeschüttet, und in wenigen 
Minuten sitzt alles um die große, dampfende Zinnschüssel mit süßer, auf¬ 
gekochter Milch und wartet, bis der Großknecht, der eben mit gewaltiger 
Arbeit vom mächtigen Schwarzbrot daumdicke Schnitte abschneidet, mit 
seinem Werke fertig ist. Schnell ist die Schüssel voll gebrockt und nun 
alles in vollem Essen, kaum ein Wort wird gewechselt; noch eine halbe 
Stunde — und man ist satt. Was noch in der Schüssel blieb, bekommt 
der mächtige Hofhund, der Liebling des Großknechts. Die hölzernen und 
zinnernen Löffel werden jetzt am Tischtuche abgewischt, und mit Gepolter 
bricht man auf. 
Der Sohn des Hauses hat indes seine Morgenkost allein verzehrt; 
denn nur im Felde ißt er mit den Leuten, und wieder geht's zum 
Stall. — Die Krippen sind alle leer gefressen. Jetzt die Pferde heraus 
und angeschirrt! Zwei werden vor den Wagen gespannt, auf den man 
eben ein paar Eggen und Säcke mit Saatgerste gelegt hat; der Sohn 
führt, der Großknecht und zwei Jungen reiten hinterdrein, und so trabt 
der Zug dem unfernen Ackerfelde zu, wo gepflügt und gesät werden soll. 
Der Sohn hält den einen, der Knecht den andern Pffug, jeder 
mit vier Pferden bespannt, die ein Junge treibt. Zu Hause haben 
auch die Drescher wieder begonnen, und ein Knecht mistet das Vieh. 
Eine Magd arbeitet am Butterfasse, und eine andere, kleinere wäscht erst 
die Baljen und geht dann in der Küche der Tochter zur Hand. 
Diese bereitet den Kaffee; denn auch die Alten haben sich jetzt erhoben 
und machen beide ihren Morgengang: er im Flausrock, in gewirkter 
Schlafmütze und Pantoffeln durch Diele, Stall und Scheunen; die gute 
Mutter aber, angetan mit sauberem, dunkelfarbigem Morgenrock von 
Kattun, durch Küche und Keller, Milch- und Speisekammer, bis der 
duftende Kaffee, in blanker Messingkanne auf dem Sofatische stehend, 
Eltern und Tochter auf ein behagliches halbes Stündchen in der sauberen 
und sehr einfachen Wohnstube wieder vereinigt. Schließlich langt der 
Alte nach seiner langen Morgenpfeife, die letzten Zeitungen und Anzeige¬ 
blätter hervorsuchend; die Mutter aber berät mit ihrer Tochter den 
Mittagstisch. 
Wieder eine Weile später. — Die Mutter hat sich ans Spinnrad 
gesetzt und spinnt weiche Wolle, zu warmen Socken für den Sohn be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.