Full text: [Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband])

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schlief, weil ihm nicht einfiel, daß er morgen wieder schlafen würde. Krieg 
hingegen war bei allen und das Fleisch des überwundenen Feindes nicht 
selten der preis des Bieges. Bei andern, die, mit mehrern Gemächlichkeiten 
des Lebens vertraut, schon eine höhere Stufe der Bildung erstiegen hatten, 
zeigten Knechtschaft und Despotismus ein schauderhaftes Bild. Dort sah 
man einen Despoten Bfrikas seine Untertanen für einen Bchluck Branntwein 
verhandeln, hier wurden sie auf seinem Grab abgeschlachtet, ihm in der 
Unterwelt zu dienen. Dort wirft sich die fromme Einfalt vor einem lächer¬ 
lichen Fetisch und hier vor einem grausenvollen Bcheusal nieder,- in seinen 
Göttern malt sich der Mensch. Bo tief ihn dort Bklaverei, Dummheit und 
Uberglauben niederbeugen, so elend ist er hier durch das andre Extrem 
gesetzloser Freiheit. Immer zum Ungriff und zur Verteidigung gerüstet, 
von jedem Geräusch aufgescheucht, reckt der Wilde sein scheues Ohr in 
die wüste,- Feind heißt ihm alles, was neu ist, und wehe dem Fremdling, 
den das Ungewitter auf feine Küste schleudert! Kein wirtlicher Herd 
wird ihm rauchen, kein süßes Gastrecht ihn erfreuen. Uber selbst da, wo 
sich der Mensch von einer feindseligen Einsamkeit zur Gesellschaft, von der 
Uot zum Wohlleben, von der Furcht zu der Freude erhebt — wie aben¬ 
teuerlich und ungeheuer zeigt er sich unsern Uugen! Bein roher Geschmack 
sucht Fröhlichkeit in der Betäubung, Zchönheit in der Verzerrung, Buhm 
in der Übertreibung,- Entsetzen erweckt uns selbst seine Tugend, und das, 
was er seine Glückseligkeit nennt, kann uns nur Ekel oder Mitleid er¬ 
regen. 
Lassen Sie mich einen Uugenblick bei dem Zeitalter stille stehen, worin 
wir leben, bei der gegenwärtigen Gestalt der Welt, die wir bewohnen! 
Der menschliche Fleiß hat sie angebaut und den widerstrebenden Boden 
durch sein Beharren und seine Geschicklichkeit überwunden. Dort hat er 
dem Meere Land abgewonnen, hier dem dürren Lande Ztröme gegeben. 
Zonen und Jahreszeiten hat der Mensch durcheinander gemengt und die 
weichlichen Gewächse des Orients zu seinem rauheren Himmel abgehärtet, 
wie er Europa nach Westindien und dem Büdmeer trug, hat er Bsien 
in Europa auferstehen lassen. Ein heitrer Himmel lacht jetzt über Ger¬ 
maniens Wäldern, welche die starke Menschenhand zerriß und dem Bonnen¬ 
strahl auftat, und in den Wellen des Bheins spiegeln sich Bsiens Beben. 
Bn seinen Ufern erheben sich volkreiche Stabte, die Genuß und Hrbeit in 
munterm Leben durchschwärmen, hier finden wir den Menschen in seines 
Erwerbes friedlichem Besitz sicher unter einer Million, ihn, dem sonst ein 
einziger Nachbar den Zchlummer raubte. Die Gleichheit, die er durch seinen 
Eintritt in die Gesellschaft verlor, hat er wieder gewonnen durch weise 
Gesetze, von dem blinden Zwange des Zufalls und der Not hat er sich 
unter die sanftere Herrschaft der Verträge geflüchtet und die Freiheit des 
Baubtiers hingegeben, um die edlere Freiheit des Menschen zu retten. 
Wohltätig haben sich seine Borgen getrennt, seine Tätigkeiten verteilt. 
Jetzt nötigt ihn das gebieterische Bedürfnis nicht mehr an die Pflugschar,
	        
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