Full text: [Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband])

13. Lharlotte von Stein im schlimmen Herbst 1806. 
Wilhelm Lode. ^Gekürzt.) 
In Weimar hatte man jetzt schon seit Monaten Einquartierung ge¬ 
habt, Preußen und Lachsen. Km 8. und 9. Oktober waren die in Weimar 
liegenden Truppen nach Erfurt abmarschiert, aber am 11. und 12. kehrten 
sie in größter Eile zurück. Neben dem Webicht, an der Ztraße nach Jena, 
schlugen sie ein großes Lager auf,- auch im „Ltern" biwakierten sie, und 
in der Stabt selbst besetzten sie jedes brauchbare Ouartier. Oer König 
von Preußen und die Königin Luise trafen jetzt in Weimar ein,- sie be¬ 
zogen das helldorfische, vormals Gppelsche Haus am Zrauenplan, dessen 
langgestreckter Garten sich beinahe bis an die Nordfenster der Zrau von 
Stein erstreckte: wenn sie in diesen Tagen um die Mittagsstunde aus dem 
Zensier sich vorbeugte, sah sie in jenem Garten die schöne Königin in der 
Nähe des Pavillons auf und ab gehen oder still bei einer kleinen Mahlzeit 
sitzen. Ls war die ganze preußische Herrlichkeit in Weimar versammelt: 
die schönsten Truppen in den schönsten Uniformen standen am webicht 
vor ihren uralten Generalen in Parade. „Den ganzen Tag gingen viele 
tausend Preußen vor meinem Zensier vorbei", schrieb Zrau o. Stein für 
ihren Zritz auf. 
„Der König und seine Gemahlin logieren im ehemaligen Gppelschen 
Hause, der Herzog von Draunschweig und viele andere Prinzen, alles ist 
hier. Um Weimar herum sind Lager gemacht, auf den Ltraßen kann man 
vor Pferden, wagen usw. nicht mehr durch. Man kann nicht zu einem 
vernünftigen Gedanken kommen, nichts tun als nur sich Herumtreiben. 
Mein herz ist recht betrübt." 
Bald kamen Nachrichten von Kämpfen bei Saalfelö und Kahla: die 
Preußen sollten gesiegt haben, aber die Zranzosen rückten näher heran. 
Dann erfuhr man, daß Prinz Louis Zerdinand gefallen war. Man fühlte, 
daß in nächster Nähe von Weimar die berühmten Heere sich begegnen 
würden. 
Tharlottens Lchwiegertochter kam mit ihren Kindern nach Weimar 
geflüchtet, weil ihrer Burg die Zranzosen schon näher waren. Sie erzählte 
von den Preußen, die dort bei Kochberg den Zeind erwarteten, und Zrau 
v. Stein hörte und sah auch sonst allerlei, was das preußische Heer be¬ 
zeichnete. „wenn nicht endlich das Glück Nonaparte verläßt," erklärte 
sie, „an unsere ersten Befehlshaber habe ich keinen Glauben." 
Um 12. Oktober schrieb sie weiter: „Mein Kopf ist mir heute recht 
schwer von allem Lärm, Zurcht und Hoffnung; die meisten um uns herum 
sind noch ängstlicher als ich." Goethe kam an diesem Tage, um nach der 
alten Zreundin zu sehen; sie verbarg ihm ihre trüben Gedanken über 
Deutschlands Lchicksal nicht. Goethe hatte auch keine Hoffnung, wohl aber
	        
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