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Es leuchtet ein, daß die Kraft des Bodens sich schnell erschöpft. Daher
sieht sich der Moorbauer, ähnlich dem Tabakpflanzer Virginiens, meist
schon nach fünf Jahren genötigt, sein Feld aufzugeben und neue Strecken
in Brand zu setzen. Häufig genug stirbt die dürftige Narbe ab, von der das
genügsame Schaf sich nährt, oder die Wassergräben erreichen die Lagerstätten
des Torfs nicht mehr, und dann verfällt der Torfbauer dem größten Elende.
Aber auch wenn das nicht geschieht, ist doch ein anderer der eigentliche
Besieger des Moors.
Wie auf den Torfgräber der Moorbauer, so folgt auf den Moorbauer
der Fennkolonist^). Wenn wir jetzt in unser deutsches Moor kommen, so
sehen wir, daß es fast überall überwunden ist. Die schwarze Moorerde ist
bis zum Grunde abgebrannt, abgeschwemmt, abgetragen. Die Wasser sind
in breitem Bett gesammelt und ergießen sich in den Fluß oder ins Meer.
Nachdem so in einer Arbeit von Menschenaltern gleichsam der Zustand der
Erde vor der Moorbildung wieder hergestellt ist, hat eine Neuschöpfung
begonnen. Unser aus dein Torfgebiet kommendes Boot gleitet vielleicht
stundenlang zwischen engen, dunklen Ufern dahin, ohne daß ein Laut oder
eine lebende Gestalt die stygische Fahrt unterbräche. Da plötzlich, wir täuschen
uns nicht, taucht drüben mitten in: Blachfelde ein Mast empor, ein Mast
mit Wimpel und Segel, bald ein zweiter, ein dritter — noch ein Augenblick,
noch eineWendung, und vor uns dehnt sich eine breite Wasserstraße, mit
Fahrzeugen aller Art bedeckt, aus. Es ist ein Kanal des Fenns.
Und nun ziehen in wechselnden Bildern Schleusenwerke und Schöpf¬
mühlen, Zugbrücken und Ufermauern, üppige Felder und Wiesen und Herden
am Auge vorüber. Dort erheben sich große Stapelplätze, wo Berge Torfs
lagern, aus nahen Werften dröhnt Gehämmer, über hohen Schloten wirbelt
der Rauch, und durch die Luft streichen befreundete Boten, Flüge von Tauben
unb Schwalben. Jetzt teilt sich der Kanal. Rechts und links gleich dem
Geäder eines Blattes springen in scharfen Linien die Seitenkanäle aus,
und hier baut sie selbst sich auf, die Fennkolonie. Schmucke, ja vornehme
Häuser, von blühendem Weißdorn umgeben, von Linden überschattet,
spiegeln sich im Wasser des Kanals. In ihnen wohnt das älteste Geschlecht,
das längst den vollen Segen von der Arbeit der Väter unb Vorväter ge¬
erntet hat. Hinter ihnen, weiter hinaus folgeu die bescheideneren Woh¬
nungen des nächsten Geschlechtes: saubere Ziegelbauten mit weiten Toren
und geräumigem Gehöfte. Draußeu endlich stehen die Hütten der jüngsten
Ansiedler, der Arbeiter, klein und eng; aber auch vor ihrer Schwelle liegt
ftenn, Fehn, Venn, ein auch im Namen Finnland vorkommendes Wort, bedeutet
Sumpf.