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verschieden ist: die einen verlieren ihr Laub schon bei einer geringen
Abkühlung des Bodens, die Saugwurzeln der andern tun ihre Arbeit
noch in bereits stark abgekühltem Boden.
Sobald aber die Saugwurzeln keinen Wurzelsaft mehr in Stamm
und Zweige senden, stellen die Blätter ihre Arbeit ein, weil sie kein
Arbeitsmaterial mehr erhalten, Werkstätten der Natur, welche feiern,
nachdem sie vollauf ihr Tagewerk getan. Nun löst sich das Blatt vom
Stiele durch die Lostrennungsschicht, die es selber gebildet hat — seine
letzte Arbeit — und fällt raschelnd zu Boden. — Wohl dem Menschen,
der, ihm gleich, ein nützliches Glied am großen Baume der Menschheit
gewesen und nach wohl vollbrachter Lebensarbeit ebenso gerne und
friedlich zur ewigen Ruhe eingeht!
116. Emgexvanclerte pflanzen. Von viKwr i)eKn.
Kulturpflanzen und Haustiere. 3. Auflage. Berlin 1877. 8. 450.
Hills die Türken aus dem Innern Asiens immer weiter erobernd nach
H Westen vordrangen, schlug dies der Weltkultur auch zum Gewinn
aus; denn die Türken waren kein bloß zerstörendes Volk wie die Mongolen,
sondern führten Europa aus ihrem ursprünglichen Heimatlande manches
Neue zu. Sie waren Freunde der Bäume, besonders aber der Blumen.
In den kurzen heißen Sommern Turkestans verblühen auf trocknen, fast
ununterbrochen von dem Licht der Sonne getroffenen Heiden zahlreiche
farbige, stolze Blumen. Diese begehrte der Türke auch nach seiner
Wanderung in den Südwesten in seinen Gärten zu schauen und gesellte
ihnen aus den vielen in seiner Hand vereinigten Ländern noch andere
bisher unbekannte hinzu. So ward Stambul und das Türkenreich über¬
haupt das Bezugsland für eine neue prächtige Gartenffora, die auf zwei
Hauptwegen, über Wien und über Venedig, in Europa einwanderte.
Die berühmteste und wegen ihrer weiteren Schicksale merkwürdigste
dieser türkischen Blumen war die Tulpe, das Staunen und die Be¬
wunderung der Kinder des Westens. Während die Italiener sie direkt
bezogen, soll der kaiserliche Gesandte Busbeck die erste deutsche Tulpe
nach Prag gebracht haben. Aus Wien erhielt sie Nordeuropa, namentlich
England; die größten Liebhaber aber fand die Blume an den Holländern.
Andere Blumen- und Ziergewächse, die Europa dem Halbmond verdankt,
sind der jetzt allgemein verbreitete, lieblich duftende Syringenstrauch, die
würzig duftende Hyazinthe, die später die Nebenbuhlerin der Tulpe auf
den Blumenbeeten der Holländer ward, die Kaiserkrone, eine persische
Blume, die die Europäer in den Gärten Konstantinopels kennen lernten.
Bei der einmal erwachten Blumenlust kamen dann zu diesen und
andern türkischen Blumen noch weitere aus andern Gegenden; so die
schöne Balsamine, die im sechzehnten Jahrhundert von den Portugiesen aus