Full text: [Teil 5 = (Für Unter-Sekunda), [Schülerband]] (Teil 5 = (Für Unter-Sekunda), [Schülerband])

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Die unfertig hinterlassenen Prachtbauten Friedrichs I., vorzüglich das 
königliche Schloß, ließ er zwar vollenden, aber nur hastig und um sich alsbald 
einer ausgedehnten Bautätigkeit auf seine Weise zuzuwenden. Er versah 
Berlin und Potsdam mit zahlreichen nützlichen Gebäuden und mit mehreren 
Kirchen; und die Formen dieser Architekturen waren so ausschließlich durch 
die Zweckmäßigkeit bestimmt, daß an ihnen höchstens abzusehen ist, auf ein 
wie Geringes man die künstlerische Durchbildung eines Baues zu beschränken 
vermag. Mit großem Eifer ließ er sich die Entwicklung der neuangelegten 
Stadtteile, wie der Friedrichsstadt in Berlin, befohlen sein; aber hier, bei 
diesen Wohnhäusern, die er vielfach verschenkte oder auf seine Veranlassung, 
auch unter seiner Aufsicht entstehen sah, herrschte erst recht das Lineal, 
dessen Unerbittlichkeit jede feinere Bildung, fast auch jedes Ornament ab¬ 
schnitt. Ganze Straßen erhielten dadurch ein so einförmiges Aussehen, daß 
man ihre Häuserfluchten für je ein langes Haus hätte halten können, wäre 
nicht den Besitzern manchmal die Freiheit geblieben, ihr Eigentum durch 
einen Anstrich nach Belieben von dem des Nachbarn abzuheben — eine 
Freiheit, die gelegentlich dadurch zu einer Demonstration gegen den er¬ 
littenen Zwang gemißbraucht wurde, daß man vermittels grüner, blauer 
oder gelber Fassaden ein schreiendes Nebeneinander schuf. Durfte sich also 
die Baukunst beklagen, daß der König sie zum Handwerk herabwürdige, 
so war das Wenige, das er für die Skulptur tat, nun gar von barbarischem 
Charakter. Man behauptet, daß er in seinem Leben nur eine einzige Statue 
ausführen ließ, und diese habe den Riesengardisten Jonas in ganzer Größe 
und in vollständiger Montur vorgestellt — ein Werk, bei dem es also gewiß, 
wie bei historischen Wachsfiguren, hauptsächlich auf die genaueste Beob¬ 
achtung des Maßes und aller Äußerlichkeiten der Uniform ankam. Nicht 
künstlerischer war die silberne Ausstattung, die Friedrich Wilhelm, um auf 
seine solide Weise einmal etwas für den königlichen Anstand zu tun, in 
Augsburg für einige Gemächer des Berliner Schlosses bestellte: diese Kron¬ 
leuchter, Wandblaker, Spiegelrahmen, Gueridons usw. waren von solchem 
Umfange und Gewicht, daß mar: über den Aufwand an kostbarem Material 
und über die darin enthaltene kluge Kapitalanlage allerdings staunen 
mußte, in ihren Formen zeigten sie sich jedoch so roh, daß ein großer Teil 
von ihnen später ohne Bedauern eingeschmolzen werden konnte. Am gün¬ 
stigsten stand es vielleicht noch mit der Malerei, da der König sich selbst ein 
wenig mit ihr befaßte, alle seine Kinder in ihr unterrichten ließ und ein 
Freund von Kupferstichen war; indessen blieb sein Geschmack auch hier uur 
ein untergeordneter. Er hatte zwar Antoine Pesne, der: ersten Hofmaler 
seines Vaters, als einen der wenigen nicht fortgeschickten Künstler bei guten: 
Gehalte belassen, aber er bestellte bei ihm nur Porträts und auch die nicht
	        
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