Heinrich Heine.
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3. Plötzlich fallen auf dich nieder
Weiße Flocken, und verdrossen
Meinst du schon, mit Schneegestöber
Hab' der Baum dich übergossen.
5. Welch ein schauersüßer Zauber!
Winter wandelt sich in Maie;
Schnee verwandelt sich in Blüten,
Und dein Herz, es liebt aufs neue.
4. Doch es ist kein Schneegestöber;
Merkt es bald mit freud'gem Schrecken;
Duft'ge Frühlingsblüten sind es,
Die dich necken und bedecken.
225. Meergruß.
Thalatta! Thalatta!
Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer,
Sei mir gegrüßt zehntausendmal
Aus jauchzendem Herzen,
Wie einst dich begrüßten
Zehntausend Griechenherzen,
Unglückbekämpfende, heimatverlangende,
Weltberühmte Griechenherzen.
Es wogen die Fluten,
Sie wogten und brausten,
Die Sonne goß eilig herunter
Die spielenden Rosenlichter,
Die aufgescheuchten Möwenzüge
Flatterten fort, laut schreiend,
Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,
Und weithin erscholl es wie Siegesruf:
„Thalatta! Thalatta!“
Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer,
Wie Sprache der Heimat rauscht mir dein Wasser,
Wie Träume der Kindheit seh' ich es flimmern
Auf deinem wogenden Wellengebiet,
Und alte Erinn'rung erzählt mir aufs neue
Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug,
Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,
Von all den roten Korallenbäumen,
Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,
Die du geheimnisvoll bewahrst
Dort unten im klaren Kristallhaus.
O, wie hab' ich geschmachtet in öder Fremde:
Gleich einer welken Blume
In des Botanikers blecherner Kapsel
Lag mir das Herz in der Brust.