Full text: [Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband]] (Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband])

204 
einem Fenster eine Gruppe von neugierigen Fremden, denen er sich in 
Erwartung des weiteren beigesellte. Gleich darauf trat der Herzog nüt 
dem ihm eigenen raschen Schritt herein, hinter ihm der Markgraf, die 
Gräfin Franziska am Arm. 
Ein starkes Geräusch verkündigte jetzt die Ankunft der Akademisten, 
welche zur entgegengesetzten Tür des Saales in soldatischer Ordnung, 
nach der Größe gereiht, hereinmarschierten, von Majors, Hauptleuten 
und Leutnants umgeben. Sie machten in vier Gliedern, welche, Adlige 
rechts und Bürgerliche links, zwei Linien formierten, Front gegen die 
Tafeln, ein Adjutant näherte sich dem Herzog mit dem Rapport, und 
jetzt nahm dieser den Markgrafen bei der Hand, oder vielmehr bloß 
beim Finger, und zog ihn mit sich an den Reihen der Zöglinge vorüber, 
wobei er höchst charakteristisch zur Behauptung seines Ranges dem Gast 
immer um einen Schritt vorauszubleiben suchte. Er stellte ihm einzelne 
Zöglinge vor, welchen dann ein freundliches Wort von dem Markgrafen 
zuteil wurde. Bald waren Verdienste der Eltern, bald Geschicklichkeit 
der jungen Leute, bald auch irgendein Scherz, den der gnädige Stifter 
vorhatte, die Veranlassung zu solchen Vorstellungen. „Sehen Ew. Liebden," 
wandte er sich zu seinem Gast, als er ans Ende der einen Linie in die 
Nähe der Zuschauer kam, und deutete auf einen Kleinen mit rundem 
naseweisen Gesicht, „sehen Ew. Liebden, das ist der Mutwilligste in 
meinem ganzen Institut!" — Der Markgraf klopfte dem verlegenen 
Knaben auf die Schulter und sagte: „Nur heiter, junger Mann! Das 
ziert die Jugend — aber, nicht ausgelassen!" — Dann schritten sie an 
der andern Linie wieder hinauf, das ganze Gefolge der Offiziere, Lehrer 
und Aufseher hinter sich, während Franziska bei den jüngsten Zöglingen, 
die zum Teil noch Kinder waren, verweilte. 
Ein Kommandowort mahnte die junge Schar ans Gebet, welches 
einer der Jüngsten von der in der Mitte stehenden Kanzel vortrug; alle 
Hände wurden zugleich mit klatschendem Laut gefaltet, und als dies 
vorüber war, die Stühle mit so schnellem und egalem Geräusche gerückt 
und besetzt, wie wenn ein Bataillon die Gewehre abfeuert. Dann blieben 
sie eine Weile steif und unbeweglich sitzen, bis der Herzog, an die oberste 
Tafel tretend, deren junge Inhaber teils Medaillen, teils Kreuze und 
sogar Sterne trugen, mit den Worten:! »Dînez, Messieurs!« welche 
mit einer tiefen Verbeugung erwidert wurden, das Zeichen zur Mahl¬ 
zeit gab. 
So weit hatte Heinrich sich mit einer ruhigen Beobachtung begnügt; 
bei dieser Aufforderung aber begann er an sich zu denken und sich nach 
einem Kuvert umzusehm. Der Herzog hatte doch wohl nicht die Absicht, 
ihn unter die Eleven zu setzen und mit diesen speisen zu lassen? Aber 
auch hier war kein leerer Platz zu erblicken. Endlich geriet er auf die 
Vermutung, der Herzog werde sein Diner nachher ebenfalls in der Akademie
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.