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einem Fenster eine Gruppe von neugierigen Fremden, denen er sich in
Erwartung des weiteren beigesellte. Gleich darauf trat der Herzog nüt
dem ihm eigenen raschen Schritt herein, hinter ihm der Markgraf, die
Gräfin Franziska am Arm.
Ein starkes Geräusch verkündigte jetzt die Ankunft der Akademisten,
welche zur entgegengesetzten Tür des Saales in soldatischer Ordnung,
nach der Größe gereiht, hereinmarschierten, von Majors, Hauptleuten
und Leutnants umgeben. Sie machten in vier Gliedern, welche, Adlige
rechts und Bürgerliche links, zwei Linien formierten, Front gegen die
Tafeln, ein Adjutant näherte sich dem Herzog mit dem Rapport, und
jetzt nahm dieser den Markgrafen bei der Hand, oder vielmehr bloß
beim Finger, und zog ihn mit sich an den Reihen der Zöglinge vorüber,
wobei er höchst charakteristisch zur Behauptung seines Ranges dem Gast
immer um einen Schritt vorauszubleiben suchte. Er stellte ihm einzelne
Zöglinge vor, welchen dann ein freundliches Wort von dem Markgrafen
zuteil wurde. Bald waren Verdienste der Eltern, bald Geschicklichkeit
der jungen Leute, bald auch irgendein Scherz, den der gnädige Stifter
vorhatte, die Veranlassung zu solchen Vorstellungen. „Sehen Ew. Liebden,"
wandte er sich zu seinem Gast, als er ans Ende der einen Linie in die
Nähe der Zuschauer kam, und deutete auf einen Kleinen mit rundem
naseweisen Gesicht, „sehen Ew. Liebden, das ist der Mutwilligste in
meinem ganzen Institut!" — Der Markgraf klopfte dem verlegenen
Knaben auf die Schulter und sagte: „Nur heiter, junger Mann! Das
ziert die Jugend — aber, nicht ausgelassen!" — Dann schritten sie an
der andern Linie wieder hinauf, das ganze Gefolge der Offiziere, Lehrer
und Aufseher hinter sich, während Franziska bei den jüngsten Zöglingen,
die zum Teil noch Kinder waren, verweilte.
Ein Kommandowort mahnte die junge Schar ans Gebet, welches
einer der Jüngsten von der in der Mitte stehenden Kanzel vortrug; alle
Hände wurden zugleich mit klatschendem Laut gefaltet, und als dies
vorüber war, die Stühle mit so schnellem und egalem Geräusche gerückt
und besetzt, wie wenn ein Bataillon die Gewehre abfeuert. Dann blieben
sie eine Weile steif und unbeweglich sitzen, bis der Herzog, an die oberste
Tafel tretend, deren junge Inhaber teils Medaillen, teils Kreuze und
sogar Sterne trugen, mit den Worten:! »Dînez, Messieurs!« welche
mit einer tiefen Verbeugung erwidert wurden, das Zeichen zur Mahl¬
zeit gab.
So weit hatte Heinrich sich mit einer ruhigen Beobachtung begnügt;
bei dieser Aufforderung aber begann er an sich zu denken und sich nach
einem Kuvert umzusehm. Der Herzog hatte doch wohl nicht die Absicht,
ihn unter die Eleven zu setzen und mit diesen speisen zu lassen? Aber
auch hier war kein leerer Platz zu erblicken. Endlich geriet er auf die
Vermutung, der Herzog werde sein Diner nachher ebenfalls in der Akademie