Kaiserin Augusta.
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Welch innigen Anteil Prinzessin Augusta an den Unterrichts¬
stunden ihres Sohnes nahm, geht daraus hervor, daß sie den¬
selben, meist mit einer Handarbeit beschäftigt, beiwohnte,- ja, oft
nahm sie selbst an den Experimenten in der Physikstunde teil.
Neben dem vielseitigen und gründlichen Unterricht in den Wissen¬
schaften lernte „unser Fritz" Fechten, Turnen, Tanzen, Schwim-
men und Reiten. Wie herzlich und mütterlich die Prinzessin
nicht allein mit ihren eigenen Kindern, sondern auch mit deren
Kameraden verkehrte, erfahren wir aus folgendem Briefe an
Rudolf von Zastrowj:
„Mein lieber Rudolf!
Ich schreibe diese Zeilen am Vorabend des letzten Tages,
an welchem Dein Examen beginnen wird und im bangen Vor¬
gefühl der Trennung — dies Gefühl wurzelt in meiner mütter¬
lichen Gesinnung für Dich. Deine Eltern hatten Dich uns an¬
vertraut, und ich erkannte vom ersten Augenblick an die Große
der Verantwortlichkeit, die wir übernommen hatten, sowie die
Dankbarkeit, die wir Deinen Eltern für ihr Vertrauen schuldig
waren. Ich habe Dich stets wie mein eigenes Kind betrachtet
und behandelt,- Gott, der in mein Herz sieht, kennt meine Liebe
und auch meine Fürsorge. Er hat seinen Segen, „an welchem
alles gelegen", dieser Erziehung geschenkt, und ich freue mich,
Dir sagen zu können, daß Du uns bisher nur Veranlassung
zur vollsten Zufriedenheit gegeben hast. Ich danke Dir von
Herzen dafür und rechne fest auf Dich für die Zukunft.
Nun nur noch einen Rat und eine Bitte: das Leben
ist ernst, und doch ist es nur die Vermittelung, die Vorbereitung
zu einem andern höheren Leben; wir müssen also die uns ge¬
gebene Frist recht benutzen. Das Leben bringt Anfechtungen
und Verführungen aller Art) wir müssen daher täglich von
Gott die Kraft ausbitten, gegen sie zu kämpfen und unserem
Grundsatz treu zu bleiben. Die Äußerlichkeiten des Lebens ver¬
mindern oft unseren Sinn für ernste Beschäftigung,- wir müssen
uns erinnern, daß wir täglich noch zu lernen haben, und daß
wir das Erworbene verloren, wenn wir es nicht vervollkommnen.