Da standen in langen Reihen die Gläser und Flaschen mit
eingekochtem Obst; die sahen wunderhübsch aus, und das Obst
schmeckte auch gar zu gut, allein — alle waren fest verschlossen.
Hier war ein Töpfchen mit Sahne, dort guckten rotbackige Äpfel
aus einem Körbchen heraus, und da stand auch der Kuchen von
gestern, ein ganz großes Stück! Nur ein bißchen kosten von allem,
wer das doch dürfte! Die Augen blickten immer begehrlicher in die
Runde — und da war auch schon das Fingerlein ins Sahnetöpfchen
gefahren, und ein Äpflein war auch eins, zwei, drei aufgegessen,
und ein Stückchen Kuchen war aufgeknabbert. Das Händchen
aber langte noch weiter nach der Mandeltüte — da mit einem
Male ging die Tür auf — Röschen war so sehr erschrocken, daß
sie zur Seite sprang; dabei stieß sie mit dem Ellbogen an das
Sahnetöpfchen, und — pardauz — da lag es in tausend Scherben
am Boden mitsamt seinem süßen Inhalt.
Hatte die Mutter die Tür aufgemacht oder Marie? Nein, die
Katze war es gewesen. Leise war sie herangeschlichen, sie wollte sich
wohl auch einmal in Muße die Speisekammer ansehen. Da fiel das
Töpfchen mit lautem Geklirr herab just vor Mieze hin, und die
Sahne spritzte ihr auf ihr schwarzes Seidenfell. Die Katze war nicht
weniger erschrocken als Röschen; mit einem Satze war sie wieder
unter dem Küchentisch und ging hier gleich daran, sich sauber
zu machen.
Was aber sollte Röschen beginnen? Zitternd stand sie da
und starrte auf den großen, weißen See am Boden. Nun
mußte Marie bald zurückkommen, und die erzählte es dann Mama,
und Mama wurde dann sehr, sehr böse; und übermorgen war
Röschens Geburtstag — ach, da gab’s gewiß keinen Gabentisch!
Wie schrecklich traurig war das alles! Was sollte sie nur beginnen?
Weinen? Das half wohl nichts. — Schreien? Das half wohl noch
weniger. — Zur Mutter laufen und sie um Vergebung bitten?
Aber Mutter schlief ja! — Warten, bis Marie kam? Ach, die ging
dann gleich zur Mama, und die wurde sehr böse, und am Ge¬
burtstag — So drehten sich die Gedanken wie in einem Kreise in
ihrem Köpfchen herum.
Die Katze saß unter dem Tisch und wusch ihr Fell; sie tat,
als wäre nichts gewesen.
Da, mit einem Male kam dem Röschen ein recht, recht böser
Gedanke, „ich will’s auch so machen,“ dachte sie, „als wäre
nichts geschehen.“ Leise, leise schlich sie aus der Kammer hinaus,
ging auf den Fußspitzen an Mamas Stubentür vorbei, damit die
Schlafende nicht erwache, und schlüpfte ebenso leise in die Kinder-