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durch die Schrift am Grale zum Herrn desselben berufen sei.
Freudentränen flossen aus Parzivals Augen; er machte sich mit
Kundri auf den Weg nach Monsalvatsch. Eine Schar von Templern,
die ihnen im Walde begegnete, sprang von den Rossen und empfing
mit abgebundenen Helmen den neuen König. Ein Segen deuchte
ihnen sein Gruß. Es war eben die Zeit, da des Anfortas Schmerzen
sich erneuten. Da erschien Parzival. Er warf sich dreimal vor dem
Grale nieder und betete, daß die Not des armen Mannes ende.
Plötzlich kam ein herrlicher Glanz über den Kranken: in blühender
Schönheit erhob er sich vom Siechbett. Ritterlich brach er wieder
manchen Speer im Dienste des Grals, nicht um Frauengunst. Von
Kundri hatte Parzival auch das vernommen, daß Kondwiramur ihm
Zwillingssöhne geschenkt habe. Schon war nach ihr gesendet und
Parzival ritt ihr entgegen. Am frühen Morgen kam er zu der
Aue, wo sie lagerte. Als er in ihr Gezelt trat, schlief sie noch;
neben ihr ruhten die beiden Kinder. Freudig sprang sie auf und
empfing den Gemahl. Es war dieselbe Stelle, wo einst Blut und
Schnee ihm den Sinn entrückt hatten. Hier war wieder beides,
doch nicht der leere Schein.
Nach L. Uhland.
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O. Geschichtsbilder.
14. Der Wald und die Germanen.
Die Geistes- und Charakteranlagen der Arier haben sich seit
der groben Völkerscheidung unter dem Einflusse von Himmel, Luft
und Boden bei den auseinander gewanderten Völkern sehr ver—
schieden, ja, bis zum vollsten Gegensatze entwickelt. Das schlagendste
Beispiel hiefür gewährt die Verwandlung von Religion, Noral,
Recht und Verfassung der einst so kriegerischen Inder seit ihrer
Niederlassung in dem erschlaffenden Klima des Ganges. Auch auf
hellenische und römische Art haben Natur und Gliederung Griechen-
sands und der Apenninischen Halbinsel groben Einflub geübt.
Die Germanen haben weit über ein Jahrtausend im Urwalde
Mitteleuropas gelebt nicht ohne eine starke Beeinflussung von ihm
zu erfahren, wie denn auch klar vor Augen liegt, in weleh hohem