Full text: Für die mittleren (bezw. oberen) Klassen (Band 2, [Schülerband])

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40. Das Pferd als Kläger. 
Doch diesen schützt ein guter Geist, 
der die Kugel andre Wege weist: 
Lebendig steht er vor dem Feind, 
der sich ein Kind des Todes scheint. 
5. „Das hast dn nicht umsonst gethan," 
fährt ihn der Däne ziirnend an: 
die Flasch' er rasch znm Munde hebt 
nnd schlürft und schlürft, bis er begrübt 
die Flasche halb in seinem Magen: 
„Den Lohn hast du davon getragen, 
siehst dn, mit deinem dummen Schießen. 
Dn solltest sie erst ganz genießen, 
deinen Wunden zu einer Salbe: 
nun aber kriegst dn nur die halbe." 
Was von den beiden war geschehn, 
ein Dänenhauptmann hat's gesehn; 
dem König eilt es der zu melden; 
bald lohnt ein Adelsbries den Helden: 
„Und eine Flasche halb mit Wein 
gefüllt, das soll sein Wappen sein." 
40. Das Pferd als Kläger. 
Von Karl S im rock. 
A. a. O. S. 155. 
1. In jenen Zeiten, die wir preisen, | 8. Da gab er ihm viel Schmeichelnamen 
davon noch gern die Sage spricht, und Leckerbissen mannigsalt; 
da hielt mit König Karl, dem Weisen, doch Jahre gingen, Jahre kaknen, 
als Schöffe mancher Held Gericht. auch dieses edle Roß ward alt. 
2. Ein Glöckchen hing im Waldesschatten; 9. Nun lahmt sein Fuß zu raschem Laufe; 
man hört' im Schlosse, wenn es klang: | blind schwankt es an der Grube Rand; 
Da kamen, die zu klagen hatten, > da gönnt er ihm vor seiner Raufe, 
nnd zogen an der Glocke Strang. [ vor seiner Krippe keinen Stand. 
3. „Wolanf! das Glöckchen hör' ich schallen: 
laßt schauen, wer Gerichts begehrt!" 
Sie traten aus des Schlosses Hallen; 
da zog den Strick ein lahmes Pferd. 
4. „Das ist ein wunderlicher Kläger; 
wer will dem Stummen Stimme leihn? 
Der Armen und der Waisen Pfleger, 
du, Eckart, sollst sein Anwalt sein." — 
5. „Der besten Redner bin ich keiner; 
Eckart ist allem Hader feind. 
Hier eurer Ritter ist es einer, 
den dieses Pferdes Klage meint. 
0. Es hat ihn feurig einst getragen 
von Schlacht zu Schlacht, von Sieg zu Sieg; 
man sah es stolz die Scholle schlagen, 
wenn er's im Waffenschmuck bestieg. 
7. Die Ehre dankt er hohem Streben; 
er dankt den Ruhm dem tapfern Arm; 
dem Rosse schuldet er das Leben; 
es trug ihn aus der Feinde Schwarm. 
10. Es irrt, aus seinem Stall verwiesen 
umher und sucht ein Hälmchen Stroh, 
l und niemand ist auf Feld und Wiesen 
i des ungebetnen Gastes froh. 
11. Gescheucht, geworfen und geschlagen, 
! lief es hieher nnd fand den Strang; 
I der Hunger trieb's, ihn zu benagen, 
! bis diese Glocke sich erschwang. 
12. Die Glocke fühlte mit dem Armen; 
ihr war der schnöde Undank leid: 
zum Himmel rief sie um Erbarmen, 
zum König um Gerechtigkeit. 
13. Ihr weisen Richter mögt erkennen, 
was diesem edlen Thier gebührt; 
den Ritter will ich nicht benennen, 
ich warn' ihn nur, daß er's vollführt." 
14. Da rief der letzte wie der erste, 
da rief der schnld'ge Ritter auch: 
„Bis an den Bauch in goldne Gerste, 
in goldnes Korn bis an den Bauch'T
	        
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