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wagen. Frankreich, ihr gefährlichster Nachbar, durch einen schweren
Krieg und noch mehr durch innere Fraktionen entkräftet, die unter
einer kindischen Regierung ihr Haupt erhoben, ging schon mit schnellen
Schritten der unglücklichen Epoche entgegen, die es, beinahe ein
halbes Jahrhundert lang, zu einem Schauplatz der Abscheulichkeit
und des Elends gemacht hat. Kaum konnte Elisabeth von England
ihren eigenen, noch wankenden Thron gegen die Stürme der Parteien,
ihre neue, noch unbefestigte Kirche gegen die verborgenen Versuche
der Vertriebenen schützen. Erst auf ihren schöpferischen Ruf sollte
dieser Staat aus einer demütigen Dunkelheit steigen, und die le¬
bendige Kraft, womit er seinen Nebenbuhler endlich darniederringt,
von der fehlerhaften Politik dieses letzlern empfangen. Das deutsche
Kaiserhaus war durch die zweifachen Bande des Bluts und des
Staatsvorteils an das spanische geknüpft, und das wachsende Kriegs¬
glück Solimans zog seine Aufmerksamkeit mehr auf den Osten als
auf den Westen von Europa. Dankbarkeit und Furcht versicherten
Philipp die italienischen Fürsten, und das Konklave beherrschten
seine Geschöpfe. Die Monarchieen des Nordens lagen noch in bar¬
barischer Nacht oder fingen nur eben an, Gestalt anzunehmen, und
das Staatssystem von Europa kannte sie nicht. Die geschicktesten
Generale, zahlreiche sieggewohnte Armeen, eine gefürchtete Marine
und der reiche goldene Tribut, der nun erst anfing, regelmäßig
und sicher aus Westindien einzulaufen, — welche furchtbaren Werk¬
zeuge in der festen und steten Hand eines geistreichen Fürsten!
Unter so glücklichen Sternen eröffnete König Philipp seine Re¬
gierung.
Ehe wir ihn handeln sehen, müssen wir einen flüchtigen Blick
in seine Seele tun und hier einen Schlüssel zu seinem politischen
Leben aufsuchen. Freude und Wohlwollen fehlten in diesem Gemüte.
Jene versagten ihm sein Blut und seine frühen finstern Kinderjahre;
dieses konnten Menschen ihm nicht geben, denen das süßeste und
mächtigste Band an die Gesellschaft mangelte. Zwei Begriffe, sein
Ich, und was über diesem Ich war, füllten seinen dürftigen Geist
aus. Egoismus und Religion sind der Inhalt und die Überschrift
seines ganzen Lebens. Er war König und Christ, und war beides
schlecht, weil er beides vereinigen wollte; Mensch für Menschen war
er niemals, weil er von seinem Selbst nur aufwärts, nie abwärts
stieg. Sein Glaube war grausam und finster, denn seine Gottheit war
ein schreckliches Wesen. Er hatte nichts mehr von ihr zu empfangen,
aber zu fürchten. Dem geringen Manne erscheint sie als Trösterin,
als Erretterin; ihm war sie ein aufgestelltes Angstbild, eine schmerz¬
hafte, demütigende Schranke seiner menschlichen Allmacht. Seine
Ehrfurcht gegen sie war um so tiefer und inniger, je weniger sie sich
auf andere Wesen verteilte. Er zitterte knechtisch vor Gott, weil Gott
das Einzige war, wovor er zu zittern hatte. Karl der Fünfte eiferte
für die Religion, weil die Religion für ihn arbeitete; Philipp tat
es, weil er wirNich an sie glaubte. Jener ließ um des Dogma