1. Martin Luther.
Von G. Frey tag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Aus dem großen Quell aller Volkskraft, aus dem freien Bauern-
stände kam Luther herauf. Sein Vater zog von Möhra, einem Wald¬
ort des thüringischen Gebirges, wo seine Sippe die halbe Umgegend
füllte, zu Bergmannsarbeit nordwärts in das Mansfeldische. So
stammt der Knabe aus einer Hütte, in welcher der alte Schauer vor
den Geistern des Fichtenwaldes und der finstern Erdspalte, welche als
Eingang zu den Metallgängen des Gebirges galt, noch stark und
lebendig war. Sicher war die Phantasie des Knaben oft beschäftigt
mit verdunkelten Überlieferungen des heidnischen Götterglaubens, er war
gewöhnt, unheimliche Gewalten zu empfinden in den Schrecken der
Natur wie in dem Leben der Menschen. Als er Mönch wurde, ver¬
düsterten sich solche Erinnerungen der Kindheit zur Gestalt des bib¬
lischen Teufels; aber der geschäftige Versucher, der überall um das
Leben des Mannes lauerte, behielt immer etwas von dem Antlitz des
schadenfrohen Kobolds, welcher heimlich um Herd und Stall des Land¬
manns fuhr.
Sein Vater, von kurz gedrungener Kraft, fest im Entschluß, begabt
mit einem ungewöhnlichen Maß klugen Menschenverstandes, arbeitete
sich nach hartem Kampfe zu einiger Wohlhabenheit durch. Er hielt
strenge Zucht in seinem «Hause; noch in späten Jahren dachte Luther
mit Wehmut an die harten Strafen, die er als Knabe erlitten, und an
den Schmerz, den sie seinem weichen Kinderherzen gemacht. Der alte
Hans Luther hatte doch bis zu seinem Tode im Jahre 1530 Einfluß
auf das Leben des Sohnes. Als sein Martin mit 22 Jahren heimlich
in das Kloster gegangen war, zürnte der Alte heftig. Und als es
endlich Freunden gelang, den empörten Vater zur Versöhnung zu
bringen, als er dem flehenden Sohne wieder gegenübertrat und dieser
gestand, daß eine furchtbare Erscheinung ihn zum stillen Gelübde des
Klosters getrieben hatte, warf ihm der Vater die bekümmerten Worte