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das nicht von dem Streben gesitteter und wohlhabender Menschen
nach Schmuck und Zierat Zeugnis gebe.
Groß und ehrwürdig erhebt sich im Hintergründe die Frauen¬
kirche mit ihren zwei massigen Kuppeltürmen und ihrem riesigen
Dache. Es ist ein ziemlich schmuckloser gotischer Bau aus rohen, vor
Alter fast schwarz gewordenen Ziegeln, gegen Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts vollendet. Trotz seiner Einfachheit macht er einen
gewaltigen Eindruck: im Innern durch sein großartiges, 33 m hohes
Gewölbe, von außen durch die mit kupfernen Helmen gedeckten,
97 m hohen Türme. Diese sind zum Wahrzeichen der Stadt
geworden; wenn die Abendsonne sie beglänzt, leuchten sie wie
rotglühendes Erz weit über die Hochebene hin.
Vom Marienplatze aus erreicht man durch die Wein- und
die Theatinerstraße den Odeonsplatz, dessen Südseite durch die
nur von einigen ehernen Bildwerken bewohnte mächtige Feldherrn¬
halle gebildet wird; die Nordseite ist offen und gestattet einen
Ausblick in die lange Flucht der Lndwigstraße.. Diese findet ihr
Ende bei dem dem römischen Konstantinsbogen nachgebildeten
Siegestore, aus dessen Höhe eine eherne Bavaria ein Viergespann
von Löwen lenkt. Östlich vom Odeonsplatz erhebt sich die könig¬
liche Residenz. Sie stammt, wie schon ihr erster Anblick zeigt,
aus verschiedeuen Bauperioden und umschließt mit ihren stattlichen
Fronten sieben Höfe. Im Hauptgeschoß des Mittelbaus, der zu
Anfang des siebzehnten Jahrhunderts entstand, bewohnt zur Zeit
Prinzregent Luitpold von Bayern eine Reihe von reichen und
zugleich sehr wohnlichen Zimmern. Der nach Süden gelegene,
von König Ludwig I. errichtete Königsbau blickt mit seiner Front
auf den Max-Joseph-Platz. In der Mitte desselben erhebt sich
das von Rauch modellierte Erzdenkmal des ersten bayrischen
Königs Max Joseph, das die Liebe seines Volkes immer noch
mit Kränzen schmückt. An die Nordflucht der Residenz schließt
sich der Hofgarten, eine schöne, mit hohen Bäumen, mit Blumen¬
beeten und Springbrunnen geschmückte Anlage. Ganz einzig in
ihrer Art sind die Arkaden, die an zwei Seiten den Hofgarten
umgeben und mit den Freskobildern Rottmanns, dem Edelsten,
was die Landschaftsmalerei aller Zeiten geschaffen hat, ge¬
schmückt sind.