Full text: [Teil 3 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 4, [Schülerband])

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blättchen solle Petrus auch nicht vergessen, damit er doch wisse, was 
passiere. 
Da sah ihn Petrus mitleidig an, schwieg lange und fragte endlich: 
„Und weiter wünschest du dir nichts?“ — „O ja,“ fiel rasch der Keiche 
ein, „Geld, viel Geld, alle Keller voll; so viel, daß man es gar nicht 
zählen kann!“ „Das sollst du alles haben,“ entgegnete Petrus, „komm, 
folge mir!“ Und er öffnete eine der vielen Türen und führte den Reichen 
in ein prachtvolles goldenes Schloß, darin war alles so, wie jener es sich 
gewünscht hatte. Nachdem er ihm alles gezeigt, ging er fort und schob 
vor das Tor des Schlosses einen großen eisernen Kiegel. Der Reiche aber 
zog sich den grünseidenen Schlafrock an, setzte sich in den Großvaterstuhl, 
aß und trank und ließ sich's gut gehen, und wenn er satt war, las er das 
Tageblättchen. Und jeden Tag einmal stieg er hinab in den KReller und 
besah sein Geld. — 
Und zwanzig und fünfzig Jahre vergingen und wieder fünfzig, so 
daß es hundert waren — und das ist doch nur eine Spanne von der 
Ewigkeit — da hatte der reiche Mann sein prächtiges goldenes Schloß 
schon so überdrüssig, daß er es kaum aushalten konnte. „Der Kalbs-— 
braten und die Bratwürste werden auch immer schlechter,“ sagte er, „sie 
sind gar nicht mehr zu genießen!“ Aber es war nicht wahr, sondern er 
hatte sie nur satt. „Und das Tageblättchen lese ich schon lange nicht mehr,“ 
fuhr er fort, „es ist mir ganz gleichgültig, was da unten auf Erden sich 
zuträgt. Ich kenne ja keinen einzigen Menschen mehr. Meine Bekannten 
sind schon längst alle gestorben. Die Menschen, die jetzt leben müssen, 
machen so närrische Streiche und schwatzen so sonderbares Zeug, daß es 
einem schwindlig wird, wenn man's liest.“ Darauf schwieg er und gähnte, 
denn es war sehr langweilig, und nach einer Weile sagte er wieder: „Mit 
meinem vielen Gelde weiß ich auch nichts anzufangen. Wozu hab' ich's 
eigentlich? Man kann sich hier doch nichts kaufen. Wie ein Mensch nur 
so dumm sein kann und sich Geld im himmel wünschen!“ Dann stand er 
auf, öffnete das Fenster und sah hinaus. 
EAber obschon es in dem Schlosse überall hell war, so war es doch 
draußen stockdunkel; stockdunkel, so daß man die hand vorm Uuge nicht 
sehen konnte, stockdunkel, Tag und Nacht, jahraus, jahrein, und so still 
wie auf dem Kirchhof. Da schloß er das Fenster wieder und setzte sich 
aufs neue auf seinen Großvaterstuhl, und jeden Tag stand er ein- oder 
zweimal auf und sah wieder hinaus. Aber es war noch immer so. Und 
immer früh Schokolade und mittags einen Tag um den andern Kalbs— 
braten mit Apfelmus und Milchreis mit Bratwürsten und nachher rote 
Grütze; immerzu, immerzu, einen Tag wie den andern. — 
Als jedoch tausend Jahre vergangen waren, klirrte der große eiserne
	        
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