Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

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Zucht gewöhnt, unfähig sich selbst zu überwinden und zu beherrschen. 
Dazu beseelte ihn ein verzehrender Tatendurst, die Sucht, auf alle Fälle 
eine Rolle zu spielen und von sich reden zu machen. 
Schon als Knabe und Jüngling zog er durch seinen ausgelassenen 
Mutwillen, seine kecke Geistesgegenwart, seinen schlagfertigen Witz aller 
Aufmerksamkeit auf sich, und die ganze Stadt war voll von seinen losen 
Streichen. Er ward der verzogene Liebling des Volkes, das ihm alle 
seine Tollheiten verzieh, ja sie mit lautem Beifall von Mund zu Munde 
trug. Was Alcibiades tat und sprach, wie er sich kleidete, sich aus¬ 
drückte und benahm, das galt als feinste Sitte in Athen und wurde als 
neueste Mode nachgeahmt. Alle Welt, vornehm und gering, drängte sich 
mit Schmeicheleien um den eiteln Jüngling und huldigte dem Zauber- 
seiner Persönlichkeit. Zahllose Geschichtchen — sogenannte Anekdoten — 
liefen von ihm um, von denen einige der bezeichnendsten erwähnt seien. 
Als Knabe biß er einst beim Ringen einen stärkern Gegner, um 
nicht zu unterliegen, in den Arm. „Pfui!" rief der, „du beißt ja wie 
ein Weib!" „Nein," erwiderte Alcibiades, „wie ein Löwe!" — Als er 
ein andermal auf der Straße mit andern Kameraden würfelte, kam ein 
Wagen gefahren. Er war gerade beim Wurf und bat den Fuhrmann zu 
warten; als dieser nicht wollte, warf er sich quer vor die Pferde und 
rief: „Nun fahr zu, wenn du's wagst!" Und wirklich, der Fuhrmann 
wartete, bis er seinen Wurf getan. — So lerneifrig Alcibiades sonst war, 
wollte er doch aus Eitelkeit nie lernen die Flöte zu blasen, um nicht sein 
Gesicht zu entstellen, hals sich aber mit einem Witz und sagte: „Laßt die 
Thebanerjungen Flöte blasen, denn die verstehen überhaupt nicht zu reden!"A) 
— Als Jüngling hatte er einen so schönen und kostbaren Hund gekauft, 
daß der für längere Zeit das Stadtgespräch bildete. Kaum hatte das etwas 
nachgelassen, flugs ließ er dem Tier den Schwanz abhacken, nur, damit 
sich hierüber alle Welt erst recht aufrege. — Selbst mit der Volksversamm¬ 
lung trieb er seine Possen. Eines Tages kam er dorthin und erregte 
die Aufmerksamkeit aller so, daß man ihn gar mit Zurufen empfing. Da 
ließ er plötzlich eine Wachtel fliegen, die er im Mantel verborgen hatte, 
und lachte sich halbtot, wie alles dem Vogel nachstürzte, um ihn wieder 
zu erlangen. — Den Gegensatz zu Perikles drückt nichts deutlicher aus 
als der Witz, den er sich sogar über diesen erlaubte. Als er ihn einst 
besuchen wollte, wurde er abgewiesen, weil sein Vormund gerade über die 
dem Volk abzulegende Rechenschaft nachdenke. „Na," sagte Alcibiades leicht¬ 
fertig, „da würde ich doch lieber nachdenken, wie man keine Rechenschaft 
abzulegen braucht." 
1) Die Schwerfälligkeit der Bööter im Reden war sprichwörtlich
	        
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