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blauen Augen und hellblondem Haupthaar, also offenbar germanischen
Ursprungs.
Ihr Mut und ihre Kühnheit, ihre Stärke und ihre Tapferkeit hatten
ihnen in allen Schlachten den Sieg verschafft. Niemand hatte ihre An¬
griffe auszuhalten vermocht. Auch die römischen Feldherren, die mit be¬
deutenden Truppenmassen nach Gallien geschickt worden waren, um die
Grenzen des Reiches zu schützen, hatten ihre Überlegenheit fühlen müssen.
Vier konsularische Heere waren gänzlich geschlagen worden. Die Flücht¬
linge hatten dazu noch eine so gräßliche Schilderung von den Barbaren
und ihrem Kriegsgeheul, ihren Waffen und ihrer Kampfesweise gemacht,
daß sich aus dem römischen Adel niemand mehr getraute, das Vaterland
von diesem „cimbrischen Schrecken", wie man ihn nannte, zu befteien.
Niemand bewarb sich um das Konsulat. Darum wühlte das Volk aber¬
mals Marius, den ruhmreichen Besieger Jugurthas, zum Konsul, und dieser
erfüllte in der Tat die auf ihn gesetzten Hoffnungen.
Sofort nach Antritt seines Amts begab er sich unverzüglich nach
Gallien und suchte vor allem seine Soldaten an Zucht und Ordnung,
an Übungen und Strapazen zu gewöhnen. In der Nähe der Rhone
bezog er ein befestigtes Lager und harrte der Feinde, welche noch Gallien
und das entfernte Spanien durchzogen. So ging auch sein zweites Kon¬
sulat zu Ende; aber er bekam diese Würde zum dritten, vierten, fünften
Male hintereinander (104—100), da man nur in ihm den Retter Roms sah.
2. Jetzt endlich kehrten die Horden zurück und näherten sich dem
römischen Lager. Marius hielt sich lange ganz ruhig, um seine Krieger
erst an den Anblick der Fremden und an den Ton ihrer Stimmen zu ge¬
wöhnen. Aber so oft er einen kleinen Haufen sich nähern sah, überfiel
er ihn mit Übermacht und lehrte so die Seinigen im kleinen siegen. Die
streitlustigen Barbaren kamen dann in größeren Haufen wieder und höhnten
die Römer, daß sie sich jetzt nicht zum Kampfe herauswagten. Doch
Marius ließ sich nicht irre machen und hielt die Seinen zurück.
Endlich hatten sich die Feinde in zwei Haufen geteilt: die Cimbern
waren längs der Rhone hingezogen, die Teutonen aber in der Nähe
des Marius geblieben. Als er aber immer noch nicht ihre Heraus¬
forderungen zur Schlacht annahm, brachen alle auf, zogen an seinem Lager
vorbei nach Italien zu und riefen spöttisch, ob die Römer etwas an ihre
Weiber in Rom zu bestellen hätten. Ihre Masse soll so bedeutend ge-
wesen sein, daß sie sechs Tage lang ununterbrochen am römischen Lager
vorbeizogen. Marius folgte ihnen nach, hielt sich aber immer auf der
Höhe, damit sie ihn nicht unversehens angreifen könnten. Bei Aquä
Sextiä endlich, dem heutigen Aix in Südfrankreich, lagerte er sich ihnen
gegenüber. In seinem Lager herrschte Wassermangel; als aber seine Krieger