II. Geschichte des Frankenreiches. Erstes Kapitel. 41
den arianischen Germanen gegenüber und wurde von der Geistlichkeit
des Landes in seiner Herrschaft unterstützt, wie er ihr Schutz und Ehre
verlieh. Als Vorkämpfer des katholischen Glaubens beschloß er die
Vertreibung der arianischen Westgoten aus Gallien, wozu die
römischen Bischöfe des südlichen Galliens in feindseliger Haltung gegen
ihre arianischen Herrscher ihre Hand boten. Mit jener Mischung von
Hinterlist und Glaubenseifer, die den heidenchristlichen Barbaren kenn-
zeichnet, seinen Erobernngs- und Rachedurst deckend, sprach er zu seinen
Getreuen: „Ich dulde es ungern, daß diese Arianer das schöne Sand' tnrte
haben. Laßt uns gehen mit Gottes Hilfe und es unfrer Herrschaft unter-
werfen." Überhaupt war es eine seltsame Art von Christentum, das
in den wilden Heiden jener alten Zeit Gestalt gewann. Befahl doch
schon Chlotilde bei ihrer Brautfahrt zu Chlodwig, obwohl sie Christin
war, die Dörfer an der Grenze ihres Oheims anzuzünden, weil er ihren
Vater getötet hatte, und sie dankte Gott, als sie auf die von Feuersglut
erleuchtete Gegend blickte, daß er sie diesen Rachetag habe erleben lassen.
Zwar nicht ohne Eindruck blieben die Thatsachen der biblischen Geschichte
auf das Gemüt auch bei diesen wilden Herzen; derselbe äußerte sich aber
in ihrer Weise, wie wenn Chlodwig bei Anhörung der Leidensgeschichte
Christi in heftiger Entrüstung ausbraust, an sein Schwert schlägt und
ausruft: „Wäre ich mit meinen Franken dabei gewesen, so wäre solches
nicht geschehen!" Das Christentum, zumal in der ihnen überlieferten
Form, vermochte bei den altgermanischen Heidenchristen zunächst
die natürlichen rohen Leidenschaften oft wenig oder gar nicht zu
dämpfen; auch bei Chlodwig galt Menschenblut nichts, und er beschloß
seine Laufbahn damit, daß er mit der ganzen Härte eines kriegs- und
beutelustigen Heiden durch Verrat und Mord seine Verwandten, Könige
der andern Frankenstämme, aus dem Wege räumte, um König
des gesamten Volkes zu sein. So ließ er dem Sohne des ripuarischen
Königs arglistig zuraunen: „Dein Vater ist lahm und zu alt, um noch
König zu sein", und dieser läßt daraufhin den Vater, während er im
Buchenwalde schlummert, töten. Der Vatermörder wird aber bald darauf
von dem Gesandten Chlodwigs, der nun als Bluträcher auftritt, erschlagen,
während er diesem, in die Truhe sich bückend, des Vaters Schütze zeigen
will, und Chlodwig läßt sich von dem Stamme als König auf den Schild
heben. Einen andern Frankenkönig bekriegt Chlodwig unter nichtigem
Vorwande, läßt den Gefangenen nebst seinem Bruder gefesselt vor sich
führen und schlägt ihn mit der Streitaxt nieder, indem er ihm mit einer
Art rohem Witz den höhnenden Vorwurf zuruft: „Wie darfst du deinen
<£>tand so schänden und diese Fesseln tragen?" — worauf er sich zu dem
Bruder wendet und ihm eigenhändig mit den Worten: „Hättest du deinem
Bruder besser geholfen, so würde er jetzt keine Ketten getragen haben!"
den gleichen Tod zufügt. So hat Chlodwig mit viel Unrecht und Frevel,
aber mit ungewöhnlicher Kraft und Kühnheit ein Reich aufgerichtet, das
von der Garonne aus an den Severinen und der Cöte d'or sich entlang
zog, dann weit nach Osten bis zur Werra hin ausgriss, nordwärts bis