248
168. Die Wolle.
I1. Der wichtigste tiexische Faserstoff für das große Gebiet der Be—
kleidungsindustrie ist die Schafwolle. Die Wollhaare sind dünn, weich,
gekräuselt und besitzen in höchstem Maße die für die weitere Verarbeitung
so wichtige Eigenschaft der Filzfähigkeit. Außerdem hat der Schafpelz
noch dickere Grannenhaare, das Fell an den Beinen besitzt kurze
Stichelhaare. Die feinen Schafwollen des Handels sind meist nur aus
einer Gattung von Haaren zusammengesetzt, und zwar bestehen sie ent—
weder ganz aus Grannenhaaren oder aus Wollhaaren. Die beste Wolle
besteht fast vollständig aus eigentlichen Wollhaaren. Von größtem Einfluß
auf die Güte der Wollhaare ist neben der Rasse der Tiere das Klima
des Landes und die Nahrung des Schafes; aber die Güte der Wolle
hängt auch von dem Alter, der Gesundheit des Tieres und dem Körperteil
ab, auf dem sie wächst.
Die Schafwolle wird meistens am lebenden Tiere und zwar ein- bis
zweimal im Jahre durch Scheren gewonnen; diese Wolle nennt man Schur—
oder Mutterwolle. Die Menge der Wolle, die ein Tier hierbei liefert,
ist nach Rasse und Geschlecht verschieden. Wird die Wolle am toten Tier
geschnitten oder von dessen Haut mit Hilfe von Kalk getrennt, so nennt
man sie Haut-, Sterblings- oder Gerberwolle. Sie ist von geringerem
Wert als Schurwolle, besonders wenn sie mit Kalk von der Haut des
Schafes entfernt wird.
2. Die Schafwolle wurde im Abendlande schon in früher Zeit ver—
wendet, während sie in den asiatischen Ländern, die zur Schafzucht wenig
geeignet sind, immer eine untergeordnete Rolle gespielt hat. In diesen
Ländern ist aber die Wolle mancher Ziegenarten, die sich durch besonderen
Glanz auszeichnen, von jeher zu feinen Gespinsten verarbeitet worden.
Die Heimat der europäischen Schafzucht ist Spanien, wo schon im
Altertum das dort lebende Merinoschaf gezüchtet wurde. Von hoher
Bedeutung war es, daß das Merinoschaf im Jahre 1765 in Sachsen
eingeführt wurde; dieses Tier liefert die dünnste und feinwelligste Wolle.
Von größtem Erfolge war die Einführung der Schafzucht in Australien
und Neuseeland am Ende des vorigen Jahrhunderts. Die ursprünglich
straffen, unbrauchbaren Haare dieses Schafes verwandelten sich bald unter
dem Einfluß des australischen Klimas in gute Wolle. Gegenwärtig liefert
das australische Schaf, veredelt durch Kreuzung mit englischen Schafen
und Merinos, eine Wolle, die der besten Merinowolle an die Seite gestellt
werden kann. Auch in Südafrika, Südamerika, namentlich in Chile und
in den Laplatastaaten, wird seit langer Zeit die Schafkultur in großem
Maßstabe betrieben. In Nordamerika ist sie in neuerer Zeit rasch empor—
geblüht und dürfte bald sehr bedeutend werden. Die Wolleinfuhr nach
Europa nimmt beständig zu, denn die Wollindustrie wird immer bedeutender.
Der Handel mit der außereuropäischen Wolle liegt fast ganz in den
Händen der Engländer. Rußland bringt fast die Hälfte der in Europa
erzeugten Wolle hervor.
Man findet im Handel etwa 50 verschiedene Arten von Wolle, die
man nach der durchschnittlichen Länge in kurzstapelige (2,5 — 4 cm) und