Full text: [Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

I 
V. Aus der Prosa des neunzehnten Jahrhunderts. 
Rohlhaas bei Luther. 
(Der Roßhändler Michael Rohlhaas, welchem der sächsische Junker 
Menzel von Tronka zwei Rappen widerrechtlich weggenommen und durch 
schlechte Behandlung zugrunde gerichtet hatte, beschwerte sich vergeblich 
bei dem Landesherrn des Räubers, dem Rurfürsten von Lachsen, da 
die verwandten des Junkers, welche am kurfürstlichen Hose in Diensten 
standen, ihrem Herrn die Beschwerdeschrift unterschlugen. Rls es Michael 
Rohlhaas auch auf andere weise nicht gelingt, sein Recht zu erhalten, 
und als sogar infolge der daraus entstehenden Streitigkeiten sein ge¬ 
liebtes Weib das Leben verliert, greift Rohlhaas zur Selbsthilfe, sam¬ 
melt eine Schar von Bewaffneten um sich, mit denen er das Schloß seines 
Gegners überfällt und zerstört. Gr wütet mit Feuer und Schwert gegen 
die Bürger von Wittenberg und Leipzig, weil der Rat dieser Städte den 
Junker von Tronka in Schutz genommen hatte. . . .) 
Unter diesen Umständen übernahm der Doktor Martin Luther das 
Geschäft, den Rohlhaas durch die Rraft beschwichtigender Worte, von 
dem Rnsehen, das ihnu seine Stellung in der Welt gab, unterstützt, in 
den Damm der menschlichen Ordnung zurückzudrücken, und auf ein tüch¬ 
tiges Element in der Brust des Mordbrenners bauend, erließ er ein 
Plakat folgenden Inhalts an ihn, das in allen Städten und Flecken 
des Rurfürstentums angeschlagen ward: 
„Rohlhaas, der Du Dich gesandt zu sein vorgibst, das Schwert der 
Gerechtigkeit zu handhaben, was unterfängst Du Dich, vermessener, im 
Wahnsinn stockblinder Leidenschaft, Du, den Ungerechtigkeit selbst vom 
Wirbel bis zur Sohle erfüllt? weil der Landesherr Dir, dem Du unter¬ 
tan bist, Dein Recht verweigert hat, Dein Recht in dem Streit um ein 
nichtiges Gut, erhebst Du Dich, heilloser, mit Feuer und Schwert und 
brichst wie der Wolf der wüste in die friedliche Gemeinheit, die er 
beschirmt. Du, der die Menschen mit dieser Rngabe voll Unwahrhaftig¬ 
keit und Rrglist verführst: meinst Du, Sünder, vor Gott dereinst an dem 
Tage, der in die Falten aller Herzen scheinen wird, damit auszukommen? 
wie kannst Du sagen, daß Dir Dein Recht verweigert worden ist, Du, 
dessen grimmige Brust vom Ritzel schnöder Selbstrache gereizt, nach den
	        
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